Quelle: pixabay.com

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Das OLG Saarbrücken hat entschieden, dass auch bei Verkehrsunfällen das Schmerzensgeld dann zu erhöhen ist, wenn der Schädiger grob fahrlässig gehandelt hat. Bei einfacher Fahrlässigkeit komme es zwar eher auf die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes an. Ebenso wie bei einer vorsätzlichen Schädigung trete jedoch bei grober Fahrlässigkeit die Genugtuungsfunktion nicht in den Hintergrund (Urteil vom 26.02.2015, Az. 4 U 26/14).

(1) Auch der Grad des Verschuldens des Schädigers fließt in die Bemessung des Schmerzensgeldes ein (BGH NJW 1993, 1531, 1532; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2004, 1167, 1168; Pauker VersR 2004, 1391, 1392 f.; Müller VersR 2008, 1141, 1151). So mindert ein leichtes Verschulden das Schmerzensgeld, ein grobes erhöht es (BGHZ 128, 117, 121; BeckOK BGB/Spindler, Stand: 01.11.2013 § 253 Rn. 45).

(1.1) Bei Verkehrsunfällen tritt – was das Landgericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat – die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes in der Regel zurück, wo die Ausgleichsfunktion im Hinblick auf die erlittenen Verletzungen und unfallbedingten Verletzungsfolgen im Vordergrund steht. Etwas anderes muss jedoch dann gelten, wenn der Unfallverursacher vorsätzlich gehandelt hat, mithin sein Kraftfahrzeug als Werkzeug gegen das Unfallopfer eingesetzt hat. In diesem Fall entspricht es der materiellen Gerechtigkeit, dem Unfallopfer eine Genugtuung für das erlittene Unrecht zukommen zu lassen, ebenso wie bei Fällen der schweren Körperverletzung, die sich außerhalb des Straßenverkehrs ereignen (OLG Celle NJW 2004, 1185 f.; Senat NJW 2008, 1166, 1168; BeckOK BGB/Spindler, aaO).

(1.2) Der Senat hat bislang offen lassen können, ob und inwieweit ein grob fahrlässiges Verhalten des Schädigers sich schmerzensgelderhöhend auswirkt (Senat NJW 2008, 1166, 1168). Diese Frage ist nunmehr dahin zu beantworten, dass bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe auch der unstreitige oder erwiesene Unfallhergang nicht außer Betracht bleiben kann, wenn er ein grob fahrlässiges Verhalten des Schädigers belegt (so auch OLG Celle, Urt. v. 18.09.2013 – 14 U 167/12, juris Rn. 76; OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 29.08.2005 – 12 U 190/04, juris Rn. 5).

(1.3) Die Schwere der Schuld des Schädigers kann auch nach der Abkopplung des Schmerzensgeldes vom Verschuldenserfordernis als Bemessungsfaktor herangezogen werden. Eine generelle Differenzierung zwischen Schmerzensgeld aus Gefährdungs- oder Deliktshaftung wäre zwar mit der gesetzgeberischen Intention, Verschuldensfeststellungen im Haftpflichtprozess weitgehend entbehrlich zu machen, und mit der im Vordergrund stehenden Ausgleichsfunktion nicht vereinbar (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs 5. Aufl. § 30 Rn. 16). Auch entspricht es dem Gerechtigkeitsempfinden, vorsätzliche Begehungsweisen oder ein grob fahrlässiges (rücksichtsloses) Verhalten im Straßenverkehr schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen (Staudinger/Schiemann, BGB Neubearb. 2005 § 253 Rn. 31; Greger/Zwickel, aaO; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl. § 253 Rn. 49; Wagner NJW 2002, 2049, 2054 f.). Dies steht im Einklang mit den Gesetzesmotiven. In der Begründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften heißt es ausdrücklich, dass im Verschuldensfalle die Genugtuung weiterhin bei der konkreten Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden kann, wenn dies im Einzelfall notwendig erscheint (BT-Drucks. 14/7752, S. 15). Die schmerzensgelderhöhende Berücksichtigung grober Fahrlässigkeit bedeutet selbstverständlich nicht, dass zwei getrennte Beträge ausgeworfen und sodann addiert werden müssten (Wagner NJW 2002, 2049, 2054 Fn. 55; vgl. BGHZ 128, 117, 121 ff.).

(2) Das Landgericht hat angenommen, Anhaltspunkte für ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten zu 1 bestünden nicht (Bd. III Bl. 553 d. A.). Dem kann nicht gefolgt werden; denn das Verhalten des Beklagten zu 1 ist vom Landgericht wie auch vom Senat bereits im ersten Berufungsverfahren als grob fahrlässig bewertet worden.

(2.1) Grobe Fahrlässigkeit liegt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit des § 276 Abs. 1 BGB erheblich übersteigt (BGH NJW 1992, 316, 317 m. w. Nachw.). Im Straßenverkehr kommt es in Abgrenzung zu den Fällen des bloß einfache Fahrlässigkeit begründenden Augenblicksversagens unter anderem auf die Dauer der Gefahrenlage und des Verstoßes an (MünchKomm-BGB/Grundmann, aaO § 276 Rn. 100 f.).