Quelle: Wiki-text, Wikimedia Commons

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Der betroffene Fahrlehrer saß während einer Fahrstunde neben seiner Fahrschülerin auf dem Beifahrersitz, für die es die (maximal) fünfte Fahrstunde war. Auf einer schmalen Straße kollidierte der Außenspiegel des Fahrschulautos mit dem eines entgegenkommenden Fahrzeugs. Grund dafür war, dass beide Fahrzeuge nicht äußerst rechts gefahren sind. Das AG sah darin einen Verstoß des Fahrlehrers gegen § 2 Abs. 2 StVO (Rechtsfahrgebot). Nach dem OLG Stuttgart würde ein solcher Verstoß jedoch die Fahrzeugführereigenschaft des Fahrlehrers voraussetzen. Dann überträgt es die Ausführungen aus dem BGH-Beschluss vom 23.09.2014 zu § 23 Abs. 1a StVO auf diesen Fall und meint: Der Fahrlehrer ist – auch nach erst fünf Fahrstunden – nicht ohne Weiteres als Fahrzeugführer anzusehen. Allerdings habe er gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.02.2015, Az. 4 Ss 721/13):

aa) Verkehrsteilnehmer ist, wer öffentliche Wege im Rahmen des Gemeingebrauchs benutzt. Die Verkehrsteilnahme setzt ein verkehrserhebliches Verhalten voraus. Dies erfordert ein Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen, das unmittelbar auf einen Verkehrsvorgang einwirkt. Verkehrsbezogen ist dabei ein Verhalten, wenn es sich schon oder noch wenigstens teilweise im öffentlichen Verkehrsraum abspielt (Heß, aaO, § 1 StVO Rn. 15, 16 mwN). Der Mitfahrer wird zum Verkehrsteilnehmer, wenn er in den Ablauf eines Verkehrsvorgangs eingreift (Heß, aaO, § 1 StVO Rn. 20). Kein Verkehrsteilnehmer ist, wer sich zwar auf öffentlichem Gelände aufhält, aber das Verkehrsgeschehen nicht beeinflusst (Heß, aaO, § 1 StVO Rn. 21). Der Begriff des Verkehrsteilnehmers ist weiter als der des Fahrzeugführers (König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 1 StVO Rn. 17), das Führen eines Fahrzeugs ist gegenüber der Teilnahme am Straßenverkehr i. S. d. § 1 StVO als Spezialfall der engere Begriff (Heß, aaO, § 2 StVO Rn. 7; s. auch BGHSt 14, 24 ff.). Die den Verkehrsteilnehmer kennzeichnende Einwirkung auf das Verkehrsgeschehen muss nicht notwendig ein tätiges Handeln, sondern kann auch ein Unterlassen sein, wenn dadurch eine Rechtspflicht zum Tätigwerden verletzt wird (BGHSt 14, 24 ff. [27/28]).

bb) Der Fahrlehrer ist nach diesen Kriterien während einer Ausbildungs- oder Prüfungsfahrt Verkehrsteilnehmer (König, aaO, § 1 StVO Rn. 17; König in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage, § 315b Rn. 18 a. E.).

Nach § 2 Abs. 15 Satz 1 StVG darf derjenige, der zur Ausbildung, zur Ablegung der Prüfung oder zur Begutachtung der Eignung oder Befähigung ein Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen führt, dieses nur tun, wenn er dabei von einem Fahrlehrer im Sinne des Fahrlehrergesetzes begleitet wird. § 6 StVZO, der allerdings durch die Neureglung des Fahrerlaubnisrechts schon seit 1. Januar 1999 außer Kraft getreten ist, benannte die Verantwortlichkeit eines Fahrlehrers für die Ausbildungsfahrt noch ausdrücklich („Wer die Fahrerlaubnis noch nicht erhalten hat, darf fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge auf öffentlichen Straßen führen, wenn er von einem Fahrlehrer (Inhaber der Ausbildungserlaubnis), der hierbei für die Führung des Fahrzeugs verantwortlich ist, beaufsichtigt wird“). An dieser Verantwortlichkeit des Fahrlehrers wollte der Gesetzgeber nichts ändern, er sieht diese Verantwortung weiterhin und setzt sie voraus. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 FahrlG darf ein Fahrlehrer täglich nur solange praktischen Fahrunterricht erteilten, wie er in der Lage ist, die Verantwortung für die Ausbildungsfahrt zu übernehmen. Gerade damit der Fahrlehrer dieser Verantwortung für die Ausbildungsfahrt auch genügen kann, hat das Fahrschulauto nach § 5 Abs. 2 DVFahrlG eine technische Ausstattung in Form von zusätzlichen Gas- und Bremspedalen zu enthalten, um so dem Fahrlehrer die Möglichkeit zum Eingreifen zu eröffnen. Selbst wenn er davon keinen Gebrauch macht, hat er stets die Möglichkeit und Pflicht, zumindest durch Worte Einfluss auf das Fahrgeschehen zu nehmen.

Gerade auch die in ständiger Rechtsprechung betonte zivilrechtliche Verantwortung mit hohen Sorgfaltspflichten rechtfertigt es, den Fahrlehrer als Verkehrsteilnehmer anzusehen. Er hat den Fahrschüler ständig zu verkehrsgerechtem Verhalten anzuhalten und entsprechend ununterbrochen zu beaufsichtigen. Er ist sowohl Dritten als auch gegenüber dem Fahrschüler dafür verantwortlich, dass Unfälle möglichst vermieden werden; an die Erfüllung dieser Pflichten ist zivilrechtlich ein strenger Maßstab anzulegen (s. BGH, NJW 1969, 2197; OLG Stuttgart, NZV 1999, 470; Dauer, Fahrlehrerrecht, 2010, S. 69/70).

Diese Pflichten unterscheiden den Fahrlehrer vom Beifahrer beim begleiteten Fahren ab 17 Jahren (§ 48a FeV), der nicht als Verkehrsteilnehmer angesehen wird, wenn er nicht konkret aktiv Einfluss auf das Fahrverhalten nimmt (König in Hentschel/König/Dauer, aaO, § 1 StVO Rn. 17). Diese begleitende Person sollte ausdrücklich „keine besonderen Aufgaben, insbesondere keine Ausbildungsfunktion“ bekommen (s. BT-Drucks. 15/5315, S.8).

(2) Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Betroffene in der konkreten Situation seine aus der Verantwortlichkeit für die Ausbildungsfahrt herrührende Verpflichtung zum Verhindern einer Schädigung eines anderen Verkehrsteilnehmers nach § 1 Abs. 2 StVO fahrlässig verletzt. Zumindest durch Unterlassen eines ihm möglichen und zumutbaren Eingreifens zum Verhindern der Unfalls hat er fahrlässig die Schädigung eines anderen (mit)verursacht.

Die Feststellungen des Amtsgerichts belegen in einer Gesamtschau angesichts der bestehenden hohen Sorgfaltspflichten den Fahrlässigkeitsvorwurf noch ausreichend. Der Betroffene hätte die Möglichkeit gehabt, entweder durch rechtzeitiges Einwirken auf die Fahrschülerin oder durch eigenständigen Eingriff mittels der zusätzlichen Bremspedale deren Fahrverhalten schon im Vorfeld des Streifvorgangs zu beeinflussen und so eine noch deutlich reduziertere Geschwindigkeit und somit ein vorsichtiges Herantasten und Passieren der ihm bekannten Engstelle zu bewirken.

Das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO, für dessen Einhaltung durch die Fahrschülerin der Betroffene auf Grund seiner Garantenstellung zu sorgen hatte, ist, wie schon der Wortlaut („möglichst weit rechts“) erkennen lässt, nicht starr. Was „möglichst weit rechts“ ist, hängt von der Örtlichkeit, der Fahrbahnart und -beschaffenheit, der Fahrgeschwindigkeit, den Sichtverhältnissen, dem Gegenverkehr und anderen Umständen ab. An Kuppen oder in Kurven oder wenn sonst die Strecke unübersichtlich ist, muss der Fahrer die äußerste rechte Fahrbahnseite einhalten, weil die Gefahr besteht, dass die Unübersichtlichkeit der Strecke ein rechtzeitiges Ausweichen nach rechts vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis nicht mehr zulässt. Unter Umständen sind bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden die einander entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer gemäß § 3 Abs. 1 Satz 5 StVO zum Fahren auf „halbe Sicht“ verpflichtet (s. zum Ganzen: OLG München, Urteil vom 11. April 2014 – 10 U 4173/13 –, juris). Hier war die Straße derart eng, dass ein zügiger Begegnungsverkehr unter Kraftfahrzeugen von normaler Breite (§§ 22 Abs. 2 Satz 1 StVO; 32 Abs. 1 Nr. 1a StVZO) gar nicht mehr möglich war, so dass schon daher mit sehr niedriger Geschwindigkeit und stets bremsbereit zu fahren war. Der Betroffene musste als Kenner der Verhältnisse zudem davon ausgehen, dass ihm Fahrzeuge entgegenkommen konnten.