Quelle: pixabay.com

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Der 4-jährige Sohn der Klägerin wurde auf der Straße vom Pkw des Beklagten zu 1 erfasst und schwer verletzt. Sie macht geltend, es habe sich bei ihr ein posttraumatisches Belastungssyndrom und daraus in der Folge u. a. eine Magersucht entwickelt. Eine begonnene (und zunächst erfolgversprechende) Therapie hat die Klägerin abgebrochen, um nicht von ihren Kindern getrennt zu werden. Das kann, so der BGH, ein Mitverschulden begründen (Urteil vom 10.02.2015, Az. VI ZR 8/14).

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts könnte für die Bemessung des Schmerzensgeldes allerdings der Umstand Gewicht haben, dass die Klägerin die von ihr begonnene Therapie nicht fortgesetzt hat. Wegen der positiven Entwicklung des Gesundheitszustands der Klägerin nach der verhältnismäßig kurzen Vorbehandlung bewertet das Berufungsgericht die Prognose, dass eine Fortführung der Therapie eine Besserung erbracht hätte, als günstig. Es meint jedoch, der Klägerin könne wegen der unterbliebenen Fortsetzung der Therapie kein Mitverschulden angelastet werden, weil sie sich ausweislich der dokumentierten Behandlungsgeschichte um die Heilung, zumindest aber Besserung ihrer nach dem Unfall manifestierten Essstörung bemüht habe. Alles spreche zwar dafür, dass dies nicht in ausreichendem Maße geschehen sei. Dass ihr dies in dem maßgeblichen Zeitraum subjektiv vorzuwerfen und nicht etwa Ausdruck ihrer auf das Unfallereignis zurückgehenden psychischen Fehlentwicklung sei, lasse sich weder nach dem Vorbringen der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten noch dem Sachverhalt im Übrigen feststellen.

bb) Möglicherweise hat das Berufungsgericht die für die Annahme eines Mitverschuldens erforderlichen Anforderungen überspannt. Von dem Verletzten muss nämlich verlangt werden, dass er, soweit er dazu imstande ist, zur Heilung oder Besserung seiner Krankheit oder Schädigung die nach dem Stande der ärztlichen Wissenschaft sich darbietenden Mittel anwendet; er darf in der Regel nicht anders handeln, als ein verständiger Mensch, der die Vermögensnachteile selbst zu tragen hat, es bei gleicher Gesundheitsstörung tun würde (RGZ 60, 147, 149; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 22 Rn. 112). Der Umstand, dass die Klägerin sich nach den getroffenen Feststellungen mit Rücksicht auf die mit einer Behandlung verbundene Trennung von ihren Kindern nicht weiter therapieren ließ, könnte ein Mitverschulden begründen, wenn der Klägerin eine weitere Behandlung der Essstörung zumutbar gewesen wäre (vgl. Senatsurteile vom 4. November 1986 – VI ZR 12/86, VersR 1987, 408 mit zust. Anm. Deutsch, VersR 1987, 559; vom 18. April 1989 – VI ZR 221/88, VersR 1989, 701, 702 und vom 15. März 1994 – VI ZR 44/93, NJW 1994, 1592, 1593). Dazu hat das Berufungsgericht bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

Das Berufungsgericht hatte außerdem den – bei mittelbar Geschädigten relevanten – Umstand nicht berücksichtigt, dass die Klägerin den Unfall nicht selbst miterlebt hat, sondern das posttraumatische Belastungssyndrom durch den Erhalt der Unfallnachricht ausgelöst wurde (Schmer­zens­geld bei psy­chi­scher Beein­träch­ti­gung wegen Unfall­tod der Ehefrau).