Nach der Entscheidung des OLG Stuttgart bestätigt das OLG Celle dessen Auffassung, wonach es für einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO nicht ausreicht, das Gerät in der Hand zu halten, ohne es zu bedienen bzw. zu benutzen. Vorliegend konnte die Zeugin nur bekunden, dass der Betroffene sein Telefon in der Hand hielt, allerdings keine Angaben zu Sprechbewegungen machen. Das Amtsgericht sei dann rechtsfehlerhaft davon ausgegangen,d ass bereits das Halten des Geräts den Tatbestand erfülle. Hinzukommen müsse ein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer Bedienfunktion, also der Kommunikation, Information oder Organisation. Ein Verstoß liege insbesondere nicht vor, wenn das Gerät lediglich aufgenommen werde, um es andernorts wieder abzulegen.
Allerdings sei das Wahrnehmen von Sprechbewegungen nicht zwingend erforderlich, um einen Verstoß belegen zu können. Auch aus der Art und Weise des Haltens könnten Rückschlüsse auf die Bedienung gezogen werden.
OLG Celle, Beschluss vom 07.02.2019 – 3 Ss (OWi) 8/19
1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
2. Die Sache wird auf den Senat übertragen.
3. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Hameln zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorschriftswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes (Mobiltelefon) als Führer eines Kraftfahrzeugs zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt.
Nach den Feststellungen führte der Betroffene am 10. November 2017 auf dem H. Weg in H. einen Personenkraftwagen und „benutzte“ während der Fahrt ein Mobiltelefon, „indem er dieses in seiner Hand hielt“. Weitere Feststellungen hat das Amtsgericht nicht getroffen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat es ausgeführt, dass die Zeugin nicht habe bekunden können, ob der Betroffene Sprechbewegungen gemacht habe. Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass nach § 23 Abs. 1a StVO n.F. bereits das bloße Halten des Mobiltelefons den Tatbestand erfülle.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der auf die Sachrüge gestützten und mit einem Zulassungsantrag verbundenen Rechtsbeschwerde. Er meint, dass auch weiterhin zum Halten des Mobiltelefons die Nutzung einer Bedienfunktion hinzutreten müsse, um den Tatbestand zu erfüllen.
II.
Das Rechtsmittel hat (zumindest vorläufig) Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die Frage, ob nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO bereits das bloße Halten eines elektronischen Gerätes ausreicht, um den Bußgeldtatbestand zu verwirklichen, ist in der Fachliteratur umstritten und wurde bislang – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht tragend entschieden.
2. Aus den vorgenannten Gründen ist die Sache gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG vom Einzelrichter auf den Senat übertragen worden.
3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die getroffenen Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen.
a) Allein durch das Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, während der Fahrt begeht der Führer eines Kraftfahrzeuges keinen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO in der Fassung der Dreiundfünfzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I 2017, 3549). Es muss vielmehr auch weiterhin über das bloße Halten hinaus eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen (so auch König, in Hentschel/König/Dauer, StVO 45. Aufl. § 23 Rn. 32; Ternig VD 2018, 300; ders. SVR 2018, 434; Krenberger, jurisPR-VerkR 18/2018 Anm. 6).
b) Der Auffassung, die einen Verstoß bereits dann annimmt, wenn das elektronische Gerät in der Hand gehalten wird (OLG Oldenburg, Beschluss vom 25. Juli 2018 – 2 Ss (OWi) 201/18 -, DAR 2018, 577; Fromm, MMR 2018, 68, 69; Eggert in Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 23 StVO 1. Überarbeitung Rn. 28.1), vermag der Senat nicht zu folgen. Sie ist nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar. Danach darf, wer ein Fahrzeug führt, ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, „nur benutzen, wenn (…) hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird (…)“. Die Vorschrift regelt also, unter welchen Bedingungen die Benutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt erlaubt ist, und verbietet das Aufnehmen oder Halten des Geräts zu diesem Zweck („hierfür“). Fehlt es hingegen am Element der Benutzung, so unterfällt auch das Aufnehmen oder Halten nicht dem Verbot. Deshalb kann nicht allein das Aufnehmen oder Halten des Geräts ein Benutzen im Sinne der Vorschrift ausmachen. Hinzukommen muss vielmehr irgendein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Gerätes, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation (vgl. König aaO; Ternig aaO).
c) In der Rechtsprechung zur alten Fassung der Vorschrift war anerkannt, dass den Tatbestand nicht erfüllt, wer das Mobiltelefon lediglich aufnimmt, um es andernorts wieder abzulegen (OLG Köln NJW 2015, 361; OLG Düsseldorf NZV 2007, 95; OLG Bamberg VM 2007 Nr. 62; OLG Hamm NJW 2006, 2870). Hieran hat sich durch die Neufassung der Vorschrift nichts geändert (so auch Eggert aaO). Der mögliche Wortsinn des gesetzlichen Tatbestands bildet die Grenze der Auslegung (vgl. KK/OWiG-Rogall 5. Aufl. § 3 Rn. 53 mwN). Vom möglichen Wortsinn des Begriffs „Benutzen“ ist aber die bloße Ortsveränderung des elektronischen Geräts nicht mehr gedeckt, weil eine solche Handlung keinen Bezug zur Funktionalität des Geräts aufweist (OLG Köln aaO). Es kann dann nicht mehr die Rede davon sein, dass es bestimmungsgemäß verwendet wird.
Abgesehen davon dürfen mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG einzelne Tatbestandsmerkmale auch innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden (Verschleifung oder Entgrenzung von Tatbestandsmerkmalen; vgl. BVerfGE 87, 209, 229; 92, 1, 16 f., 126, 170, 233). Hierauf würde es aber hinauslaufen, wenn man jegliches Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Geräts mit dessen Benutzung gleichsetzte (vgl. Bertlings, jurisPR-StrafR 20/2018 Anm. 5). Es wäre auch nicht einsichtig, eine funktionsneutrale Tätigkeit wie das Umlagern bei einem elektronischen Gerät anders zu bewerten als bei sonstigen im Fahrzeug mitgeführten Gegenständen (vgl. Ternig aaO).
d) Die hier vertretene Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Nach der Begründung des Änderungsentwurfs enthält der neue Absatz 1a „statt dem bisherigen Verbot nunmehr ein Gebot, unter welchen Voraussetzungen eine Gerätenutzung zulässig ist“ (BR-Drucks. 556/17, S. 25). Die in § 23 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 StVO n.F. zusätzlich normierten Nutzungsvoraussetzungen wurden eingefügt, „um die auch bei Einhaltung des hand-held-Verbots mit der Benutzung einhergehenden verkehrssicherheitsgefährdenden Tätigkeiten weiter zu minimieren“ (BR-Drucks. aaO S. 26). Hieran zeigt sich, dass aus Sicht des Verordnungsgebers dem Tatbestandsmerkmal der „Benutzung“ weiterhin ein eigener Regelungsgehalt zukommt, der an die mit der Benutzung „einhergehenden verkehrssicherheitsgefährdenden Tätigkeiten“ – auch ohne Aufnehmen oder Halten des Geräts – anknüpft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Teil der Entwurfsbegründung, auf den das Oberlandesgericht Oldenburg maßgeblich abgestellt hat. Dort heißt es:
„Unter Berücksichtigung der Empfehlungen des 55. Deutschen Verkehrsgerichtstages wird klargestellt, dass es für das Verbot der Gerätenutzung nicht nur darauf ankommt, ob das Gerät für die Benutzung grundsätzlich in der Hand gehalten werden muss, sondern ob es tatsächlich in der Hand gehalten wird. Hiermit soll eine Regelungslücke geschlossen werden für Fälle, in denen das Gerät in der Hand gehalten wird, obwohl dies nicht erforderlich wäre (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2016 – 4 Ss 212/16).“
In dieser Passage wird – wie auch im Verordnungstext selbst – das Halten des Geräts im Zusammenhang mit der Benutzung genannt. Einziger Unterschied zur alten Fassung der Vorschrift ist, dass das Halten des Geräts nun nicht mehr für die Benutzung erforderlich sein muss, sondern es ausreicht, dass Benutzung und Halten rein tatsächlich zusammentreffen. Zu dieser Änderung sah sich der Verordnungsgeber veranlasst, weil in dem vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall der Betroffene ein Telefongespräch über eine Freisprechanlage geführt und dennoch das Mobiltelefon in der Hand gehalten hatte, obwohl dies für das Telefonieren unnötig war. Allein diese Regelungslücke sollte geschlossen werden. Die Absicht, ein generelles Verbot des Aufnehmens oder Haltens elektronischer Geräte ohne Zusammenhang mit einer der Bedienfunktionen einzuführen, ist dem nicht zu entnehmen. Hätte der Verordnungsgeber zum Ziel gehabt, die Hände des Fahrzeugführers vollständig von fahrfremden Tätigkeiten freizuhalten oder etwaige Beweisschwierigkeiten mit Blick auf die immer wieder neu auftauchenden Schutzbehauptungen Betroffener auszuräumen, so wäre zudem nicht erklärlich, warum das Verbot auf elektronische Geräte beschränkt worden ist, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind. Aus der Entwurfsbegründung ergibt sich vielmehr, dass der Verordnungsgeber gerade in der Kombination von Halten des elektronischen Geräts und Nutzung einer Bedienfunktion eine erhöhte Gefährdung der Verkehrssicherheit sieht, die mit Blick auf das Übermaßverbot die Beschränkung – im Gegensatz zu anderen, als sozialadäquat angesehenen fahrfremden Tätigkeiten (z.B. essen) – rechtfertigt (BR-Drucks. 556/17, S. 25 f.).
e) Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG sind nicht erfüllt. Zwar gilt die Vorlagepflicht auch im Zulassungsverfahren nach § 80 OWiG (vgl. BGHSt 23, 365, 366; 24, 208, 209). Sie besteht aber nur, wenn die Rechtsauffassung, von der abgewichen werden soll, tragende Grundlage der früheren Entscheidung des anderen Oberlandesgerichts war (vgl. BGHSt 30, 160; KK/StPO-Hannich 7. Aufl. § 121 GVG Rn. 38 mwN). Das ist vorliegend nicht der Fall. In der vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Sache hatte das Amtsgericht nämlich festgestellt, dass der Betroffene während der Fahrt ein Mobiltelefon in der Hand hielt und mehrere Sekunden auf das Display schaute. Damit lag über das bloße Halten hinaus ein Zusammenhang mit einer Bedienfunktion des Mobiltelefons, mithin ein Benutzen vor (so auch Ternig aaO). Denn eine Benutzung setzt nicht das Zustandekommen einer Verbindung zum Internet oder Mobilfunknetz voraus; bereits das Ablesen der Uhrzeit, Prüfen des Ladezustands o.ä. reicht aus (vgl. König aaO). Auch nach der hier vertretenen Auffassung ist darin ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO n.F. zu sehen, ohne dass es weiterer Feststellungen bedarf, welche Bedienfunktion konkret verwendet wurde. Auf der Ansicht, dass auch das Halten allein für den Verstoß ausgereicht hätte, beruht die frühere Entscheidung also nicht.
III.
Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats kommt nicht in Betracht. Denn es ist nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine rechtsfehlerfreie Verurteilung des Betroffenen tragen. Die Wahrnehmung von Sprechbewegungen ist hierfür nicht zwingend erforderlich. Bereits aus der Art und Weise, wie das Mobiltelefon gehalten wurde, können Rückschlüsse auf die Nutzung einer Bedienfunktion gezogen werden.
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