Seit dem diesjährigen Verkehrsgerichtstag wird wieder häufiger über die Wertgrenze des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB diskutiert, wonach beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort, obwohl der Täter weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, er in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Trotz dem im Saarland verbreitet angenommenen Schwellenwert von 1.300 € hat das AG Saarlouis in einem Jugendstrafverfahren bei einem Fremdschaden von 1.483,31 € von der Fahrerlaubnisentziehung abgesehen und lediglich ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Allerdings – und das ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht – kehrte die Angeklagte maximal zwei Stunden nach dem Zusammenstoß freiwillig zur Unfallstelle zurück.

AG Saarlouis, Urteil vom 21.03.2018 – 7 Ds 7/18

Die Angeklagte ist des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig.

Von Strafe wird abgesehen.

Es wird auf eine Erziehungsmaßregel/Zuchtmittel erkannt.

Sie hat eine Geldbuße von 250,– €, in monatlichen Raten von 50,– €, beginnend mit dem Monat, der auf die Rechtskraft des Urteils folgt, an den Verein …
zu zahlen.

Der Angeklagten wird untersagt, für die Dauer von 1 Monat Kraftfahrzeuge jeglicher Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Angeklagte.

Angewendete Vorschriften:§§ 142 I Nr. 1, 44 StGB, §§ 1, 105 JGG

Gründe:

(abgekürzt nach § 267 Abs.4 StPO)

I.

II.

“Die Angeklagte fuhr am …08.2017 gegen 21:20 Uhr mit dem PKW amtliches Kennzeichen … auf der … Straße 66115 Saarbrücken, in Fahrtrichtung … In Höhe des Anwesens Nr. … kollidierte sie mit dem am rechten Fahrbahnrand geparkten PKW … amtliches Kennzeichen … der … wodurch das Fahrzeug an der Fahrerseite in Form von Streifenschäden beschädigt wurde. Der Schaden beläuft sich auf 1.483,31 €.

Obwohl die Angeklagte den Unfall bemerkte und erkannte beziehungsweise damit rechnete, dass ein nicht völlig unbedeutender Fremdschaden entstanden war, verließ sie die Unfallstelle, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.”

Sie ist nach den in der Hauptverhandlung getroffenen Feststellungen dieser Tat überführt.

III.

Sie ist somit gemäß §§ 142 I Nr. 1, 44 StGB, §§ 1, 105 JGG schuldig.

Die Tat der Angeklagten ist nach Jugendrecht zu ahnden. Die Voraussetzungen des §§ 105 Abs. 1 Nummer 1 JGG lagen bei ihr vor. Die Angeklagte war zum Tatzeitpunkt Heranwachsende. Aufgrund ihres bisherigen Werdegangs und des von ihr in der Verhandlung gewonnenen Eindrucks besteht jedoch kein Zweifel daran, dass es sich bei der Angeklagten um einen noch in der Entwicklung befindlichen, noch prägbaren Menschen gehandelt hat, bei dem erhebliche Reife – und Entwicklungsrückstände bestanden und der nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand.

IV.

Jugendstrafe muss bei der Angeklagten noch nicht verhängt werden.

Wegen der Schwere der Schuld scheidet dies im Hinblick auf den Bagatellcharakter der begangenen Straftat aus.

Schädliche Neigungen liegen bei der Angeklagten noch nicht vor. Zur Normverdeutlichung und individuellen Abschreckung reicht es aus, die Angeklagte mit Zuchtmitteln zu belegen. Dadurch kann sie wieder auf den rechten Weg gebracht werden. Die von ihr begangene Straftat ist zweifellos Folge einer noch behebbaren pubertätsbedingten Entwicklungsstörung der Angeklagten und nicht Ausdruck einer bereits verfestigten erheblichen kriminellen Energie.

Unter Berücksichtigung sämtlicher Gesichtspunkte, in einer Gesamtschau, sowie unter Abwägung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände, insbesondere ihrer Persönlichkeit, ihrer charakterlichen Haltung und der von ihr gewonnenen sowie erstellten Sozialprognose, war die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 250,– € erforderlich, aber auch ausreichend, um zu ihrem Wohl, in dem gebotenen Maße erzieherisch nachhaltig auf die Angeklagte einzuwirken und sie zu veranlassen, sich künftig straffrei zu führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO i.V.m. § 74 JGG.

Vielen Dank an Frau Rechtsanwältin Monika Zimmer-Gratz, Bous, für die Zusendung der Entscheidung.