Die Tochter der Kläger befuhr gegen 01:00 Uhr nachts eine Bundesautobahn. Sie kam aus ungeklärter Ursache von der Fahrbahn ab und stürzte mit ihrem Pkw in eine Böschung. Ein Autofahrer beobachtete den Unfall und verständigte telefonisch den Notruf. Auch eine weitere Person meldete über ihr BMW-Notrufsystem einen Verkehrsunfall, bei dem ein Fahrzeug von der Fahrbahn abgekommen sei und sich überschlagen habe. Zur Unfallstelle geschickte Beamte der Autobahnpolizei stellten einen stehengebliebenen Pkw samt Anhänger auf dem Seitenstreifen fest, dessen Abblendlicht ausgefallen war. Die Autobahn und der Raum neben der Fahrbahn wurden dann mit Scheinwerfern abgesucht, ohne dass sich Hinweise auf einen Verkehrsunfall ergeben hätten, so dass von einem Fehlalarm ausgegangen und der Einsatz abgebrochen wurde. Das Fahrzeug mit der verstorbenen Tochter der Kläger wurde am Morgen durch einen Spaziergänger aufgefunden.

Die Kläger, welche Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangten, behaupteten, dass ihre Tochter bei einem früheren Auffinden hätte gerettet werden können. Den Beamten der Einsatzzentrale und im Streifenwagen hätten Amtspflichtverletzungen begangen. Die Unfallstelle hätte nicht verlassen werden dürfen. Auch sei die Streifenbesatzung vorwerfbar zu der Einschätzung gelangt, dass das Pannenfahrzeug das verunglückte Fahrzeug gewesen sei. Das LG Augsburg hat die Klage abgewiesen: Zwar hätten der Notrufbeamte, die Streifenbeamten und die ebenfalls anwesenden Feuerwehrleute hoheitlich in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt. Eine fahrlässige Amtspflichtverletzung sei aber nicht zu erkennen. Es sei nachvollziehbar, dass die Streifenbeamten und Feuerwehrleute vor Ort (irrtümlich) davon ausgegangen seien, das Pannenfahrzeug auf dem Seitenstreifen sei der Grund für die Notrufe gewesen. Leitplanke und Wildschutzzaun seien nicht beschädigt gewesen, Reifenabdrücke im Grünstreifen bei Nacht trotz der Verwendung von Scheinwerfern bzw. Taschenlampen nicht zu erkennen gewesen. Auch dem Notrufbeamten seien keine Amtspflichtverletzungen vorwerfbar. Eine Aufforderung an den Anrufer, am Unfallort auf Rettungskräfte zu warten, sei für diesen mit einer zu hohen Eigengefährdung verbunden gewesen.

LG Augsburg, Urteil vom 27. November 2017 – 34 O 1568/17

Die Parteien streiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Am 26.07.2015 befuhr die 24jährige Tochter der Kläger gegen 01.00 Uhr mit ihrem PKW, Marke Audi Q3, amtliches Kennzeichen …, die Bundesautobahn 8 in Richtung München. Auf der Höhe von Dasing, bei Abschnitt 400, km 1.400, kam sie aufgrund bislang ungeklärter Ursache nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr über den Standstreifen und sodann 200 m entlang auf dem hinter einer Leitplanke liegenden ca. 3 m breiten und ebenen Grünstreifen. Beschädigungen hinterließ sie weder an der Leitplanke, noch an einem parallel zur Leitplanke auf einer Anhöhe, ca. 5 m hinter der Leitplanke befindlichen Wildschutzzaun. Nach ca. 200 m Fahrt über den Grünstreifen (hinter der Leitplanke und vor dem Wildschutzzaun) stürzte sie mit ihrem PKW in eine Böschung neben einer Autobahnbrücke. Der PKW kollidierte frontal mit der gegenüberliegenden Seite der Böschung und kam auf den Rädern zum Stehen.

Der Zeuge S. befuhr ebenso wie die Tochter der Kläger die Bundesautobahn 8 in Richtung München und wurde kurz vorher von ihr überholt. Sodann beobachtete er, wie diese mit ihrem PKW nach rechts von der Bundesautobahn abkam. Kurz darauf, ca. 400 m nach der Unfallstelle blieb der Zeuge S. auf dem Standstreifen stehen und verständigte um 01:04 Uhr telefonisch den Notruf.

Es kam zu folgendem Telefongespräch:

– Auszug –

S.: Ja schönen guten Morgen, S. mein Name. Ich bin auf dem Weg Richtung München und ich habe gesehen, dass jemand von der Autobahn geflogen ist, aber ich bin schon zu weit gefahren. Ich kann nicht mehr zurück. Da ist irgendein Auto von der Autobahn gekommen.

Polizeinotruf: A Auto, vermutlich Kontrolle übers Fahrzeug verloren und dann irgendwo rechts raus geschossen aus der Autobahn, oder?

S.: Ja, ja, warten Sie mal von wo, wo warn mir? Dasing. Dasing, genau Dasing Ausfahrt simma vorbei und dann hab ich nur gesehn, da sind Lichter, plötzlich, alles hat gestaubt und ich bin vorbeigefahren und ich kann jetzt nicht zurück. Können Sie da bitte nachschauen?

Polizeinotruf: Ja, ungefähr wie weit von Dasing weg, gefühlt?

S.: Ja ich denk mal 400 Meter bin ich.

Polizeinotruf: Ok, also nicht allzu weit von Dasing, von der Ausfahrt weg. Alles klar, ok, gut.

S.: Ja, können Sie mal kommen. Soll ich hier warten oder was soll ich machen?

Polizeinotruf: Nein, wenn Sie bloß Lichter gsehn haben, dann is des kein Problem Herr S.. Wir schaun auf jeden Fall, ob mir da irgendwas finden, geh. Danke, ok, tschau.

Der Zeuge S. setzte dann seine Fahrt fort.

Darüber hinaus meldete der Zeuge P., der mit seinem PKW auf der Bundesautobahn 8 ebenso in Richtung München unterwegs war über seinen BMW-Notruf einen Verkehrsunfall. Der BMW-Notruf selbst meldete dann den Bericht des Zeugen P. an die ILS Augsburg (Feuerwehrnotruf) weiter.

Es kam um 01:02:53 Uhr zu folgendem Telefongespräch:

– Auszug –

BMW-Melder: Einer unserer BMW Fahrer hat gerade einen Unfall gesehen und zwar direkt vor ihm auf der A 8 Fahrtrichtung Süd Ost zwischen Dasing und Adelzhausen.

(…)

ILS-Notruf: Also Richtung München.

BMW-Melder: Genau, zwischen Dasing und Adelzhausen.

ILS-Notruf: Mhm, Dasing und Adelzhausen. Ja ok.

BMW-Melder: Ja genau. Ist wohl von der Fahrbahn abgekommen und hat sich überschlagen und die sind dann daran vorbeigefahren, haben jetzt Notruf gedrückt und mich informiert und es wäre schön, wenn Sie dort mal Krankenwagen und Rettungskräfte hinschicken.

Durch die Autobahnpolizei G… wurde ein Streifenwagen zur beschriebenen Unfallstelle, besetzt mit den Zeugen PHM H. und PHM S. geschickt, wo sie gegen 01:14 Uhr fast zeitgleich mit der ebenfalls ausgerückten freiwilligen Feuerwehr Dasing eintrafen. Ungefähr bei Altkilometer 37,300 stellten die beiden vorbenannten Polizeibeamten ein stehengebliebenes PKW-Anhängergespann mit eingeschalteter Warnblinkanlage fest. Der Fahrzeugführer des Anhängergespanns schilderte gegenüber den Polizeibeamten, dass plötzlich die Abblendlichter seines PKWs ausgegangen seien. Dies wurde der Notrufeinsatzzentrale mitgeteilt. Zusammen mit den Feuerwehrfahrzeugen wurde die Autobahn bis zur Anschlussstelle Adelzhausen mit Scheinwerfern abgesucht, wobei sich den Polizeibeamten sowie den Feuerwehrleuten keine Hinweise auf einen Verkehrsunfall ergaben. Die Strecke wurde dann nochmals, allerdings ebenso erfolglos abgesucht.

Letztlich kamen die Zeugen PHM H. und PHM S. sowie die Feuerwehrbeamten zu der Einschätzung, dass die Notrufmelder das vorgenannte Pannenfahrzeug wahrgenommen haben und es sich im Ergebnis um einen Fehlalarm handelte.

Um 01:20:45 Uhr kam es zu folgender Rückmeldung der Feuerwehrleute:

– Auszug –

ILS: Jawohl. Der Rettungsdienst sucht auch und der HVO Dasing hat ebenfalls gemeldet bei Höhe 36 auch den PKW, dem ist spontan das Licht wohl ausgefallen. Mir ham jetzt nochmal das Band abgehört von der BMW-Notrufzentrale. Der hat definitiv gesagt, also er hat beobachtet, wie er von der Fahrbahn abgekommen und sich überschlagen hat. Vielleicht haltens nochmal Ausschau im Straßengraben. Ansonsten, wenn bis Odelzhausen nichts is und Fahrtrichtung Stuttgart dann ebenfalls nichts, dann hak mas ab.

Dasing 40/1: Ja, richtig. Wir haben jetzt schon mit nem Suchscheinwerfer neben der Fahrbahn schon mal mitgeschaut aber bis jetzt nichts gesehn.

ILS: Jawohl. Wir ham schon gerätselt, vielleicht war der Lichtausfall a optische Täuschung von dem BMW Fahrer, der des dann gmeldet hat. Aber wie gesagt, gehen ma auf Nummer sicher, schaun ma nochmal bis Odelzhausen und dann Fahrtrichtung Stuttgart dann ebenfalls nochmal.

Um 01:36:57 Uhr teilten die Einsatzkräfte vor Ort mit, dass sie den Einsatz abbrechen.

Das verunfallte Fahrzeug sowie die Tochter der Kläger wurden erst gegen 09:00 Uhr des 26.07.2015 zufällig durch einen Spaziergänger aufgefunden.

Eine durch die Staatsanwaltschaft Augsburg angeordnete Obduktion ergab ausgedehnte Einblutungen und Zertrümmerungen im Bereich der vorderen Beckenregion beidseits, links betont, mit kräftigen Einblutungen ins umgebende Weichteilgewebe und die Muskulatur sowie Einblutungen unter die häutigen Überzüge der angrenzenden Darmanteile. Ferner bestand linksseitig eine offene Fraktur im Bereich des vorderen Beckenkammstachels mit der Möglichkeit eines gegebenenfalls deutlichen Blutverlustes nach außen. Ferner ergab die Obduktion, Zeichen von prellungsbedingten Verletzungen des Brustkorbes sowie der Lunge mit einer Bluteinatmung ins Lungengewebe in die angrenzenden Anteile. Als wahrscheinlichste Todesursache wurde diese Blutaspiration, also die Einatmung von Blut aus den Lungenprellungen sowie darüber hinaus ein gewisser Blutverlust aufgrund der im Beckenbereich erlittenen Verletzungen festgestellt.

Den Klägern, als Hinterbliebene der verstorbenen Tochter, sind Kosten aufgrund des tödlichen Verkehrsunfalls in Höhe von insgesamt 16.288,44 EUR (Städtische Gebühren, Grabstein-Kosten, Bestattungsdienst, Notarzt-Kosten) entstanden.

Die Kläger behaupten, durch ein frühzeitigeres Auffinden des PKWs bzw. ihrer Tochter und eine entsprechende notärztliche Versorgung hätte das Leben der Tochter höchstwahrscheinlich gerettet werden können.

Die Kläger sind der Ansicht, dass sowohl dem Polizeibeamten in der Einsatzzentrale sowie den Polizeibeamten im Streifenwagen, der zur Unfallstelle beordert wurde, gravierende Fehler unterlaufen seien, die letztendlich zum Tod der Tochter der Kläger geführt hätten. Der Polizeibeamte in der Einsatzzentrale hätte den Zeugen S. nicht von der Unfallstelle wegfahren lassen dürfen bzw. hätte diesen zurückbeordern müssen, sodass die Streifenbesatzung die Unfallörtlichkeiten hätten eingrenzen können. Ein weiterer gravierender Fehler sei darin zu sehen, dass die Streifenbesatzung fälschlicherweise zu der Einschätzung gelangt sei, dass das vorgefundene Pannenfahrzeug das verunglückte Fahrzeug gewesen sei, bei dem jedoch lediglich die Abblendlichter ausgegangen waren. Die Kläger meinen weiter, dass ihnen – als Erben – ein Schmerzensgeldanspruch der Verstorbenen in Höhe von mindestens 10.000,00 EUR zustünde.

Die Kläger beantragen – nach Erweiterung der Klage mit Schriftsatz vom 29.05.2017 im Wesentlichen um die folgende Ziff. III. – zuletzt,

den Beklagten zu verurteilen, (I.) an die Kläger 16.288,44 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.04.2017 sowie (II.) an die Kläger 1.666,95 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.348,98 EUR seit Rechtshängigkeit sowie aus 317,97 EUR seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung sowie (III.) an die Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens aber 10.000,00 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.04.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, dass den Polizeibeamten keine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen sei.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogene staatsanwaltliche Ermittlungsakte (101 UJs 213884/15 nebst Beweismittelakte, Sonderband „gerichtliche Leichenöffnung”, Sonderband „medizinisches Sachverständigengutachten” und Sonderband „Unfallanalytisches Sachverständigengutachten”) verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen S., P., S. und H. (vgl. Prot. v. 09.10.2017, Bl. 50/57 d. A.) sowie durch Verwertung der staatsanwaltlich eingeholten Sachverständigengutachten gem. § 411a ZPO (vgl. Beweisbeschluss vom 09.10.2017, Bl. 52 d. A.).

Entscheidungsgründe

Der zulässigen Klage muss im Ergebnis der Erfolg verwehrt bleiben.

I.

1. Die Kläger haben schon dem Grunde nach keinen Anspruch gem. § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG. Nach Überzeugung der Kammer handelte es bei den Umständen, die zu dem tragischen Tod der Tochter der Kläger führten, um eine nicht vorhersehbare Verkettung unglücklicher Umstände.

1.1

Die beteiligten Personen, der polizeiliche Notrufbeamte, die beiden als Zeugen vernommenen Streifenbeamten sowie die beteiligten Feuerwehrleute handelten hoheitlich in Ausübung eines öffentlichen Amtes (zur freiwilligen Feuerwehr vgl. Palandt-Sprau, BGB, § 839 Rn. 112).

1.2

Eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung der beteiligten Hoheitsträger scheidet offensichtlich aus.

1.3

Nach Überzeugung der Kammer ist den beteiligten Hoheitsträgern aber auch eine fahrlässige Amtspflichtverletzung nicht vorzuwerfen.

Grundsätzlich haben Amtsträger die Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten, d. h. sie haben die ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse in Einklang mit dem objektiven Recht wahrzunehmen und das Amt sachlich und im Einklang mit Treu und Glauben und guter Sitte zu führen und hierbei auch – bezogen auf die Polizeibeamten – Gefahrenabwehr bei Unglücksfällen und Beistandleistung von Verletzten und Hilflosen zu gewährleisten. Diese insoweit umschriebene Pflicht umfasst die sach- und fachgerechte, sorgfältige Ausübung der den Amtsträgern übertragenen Aufgaben (Rettungsmaßnahmen und Verhütung von Verschlimmerung von Gesundheit sowie der Vorkehrung zur Wiederherstellung der Gesundheit) zumindest in einem solchen Umfang, wie sie ein durchschnittlich denkender Amtsträger, dem seine hohe Verantwortung in Bezug auf die Individualgüter Dritter bewusst ist, unter Berücksichtigung aller ihm bekannter Umstände des Einzelfalls durchzuführen pflegt.

Gemessen an diesem Maßstab liegt bei keinem der beteiligten Amtsträger eine Amtspflichtverletzung vor.

1.3.1 Streifenbesatzung und Feuerwehrleute

Den als Zeugen vernommenen Streifenbeamten, die durch die Notrufzentrale zum Unfallort gerufen wurden, kann unter den ihnen mitgeteilten Informationen keine Amtspflichtverletzung unterstellt werden. Die Zeugen haben übereinstimmend und letztlich unbestritten angegeben, dass ihnen über Funk mitgeteilt wurde, dass ein Verkehrsteilnehmer im Rückspiegel mitbekommen hat, dass bei einem Fahrzeug die Lichter auf einmal weg waren. Die – aus Sicht der beiden Zeugen – naheliegende Vermutung eines Abkommens eines Fahrzeugs von der Fahrbahn ist nachvollziehbar. Ebenso ist nachvollziehbar, dass die Zeugen das in ungefährer Nähe zum beschriebenen Unfallort festgestellten Pannenfahrzeug als die Ursache für die Wahrnehmung des Mitteilers ansahen. Denn – wie die beiden Zeugen unbestritten angeben – die Angabe des Pannenfahrzeugfahrers, ihm sei wiederholt aufgrund von Elektrikproblemen ständig das Licht ausgegangen, passt zu den ihnen über die Notrufzentrale mitgeteilten Angaben (aus dem Notruf des Zeugen S.: „und dann hab ich nur gesehn, da sind Lichter, plötzlich, alles hat gestaubt und ich bin vorbeigefahren”). Trotz dieser aus der ex ante Sicht nachvollziehbaren Einschätzung haben sich die Zeugen sowie die ebenfalls mit dieser Information konfrontierten Feuerwehrleute, die ebenso von einem weiteren Mitteiler berichteten, entschlossen, die Unfallstelle bzw. die weitere Strecke abzusuchen. Mangels Beschädigungen an der Leitplanke oder einem Wildschutzzaun waren die Reifenabdrücke im Grünstreifen (s. Lichtbilder Nr. 18 / 19 d. DEKRA-Gutachtens vom 19.01.2016 = Sonderband „Unfallanalytisches Sachverständigengutachten”) bei Nacht trotz Taschenlampe und Lichtscheinwerfer am Polizeifahrzeug nach Überzeugung der Kammer nicht zu erkennen.

Verstärkt wird dieser atypische Fall durch den Umstand, dass weder an der Fahrbahnleitplanke noch an dem auf einer Anhöhe befindlichen Wildschutzzaun Beschädigungen zu sehen waren, womit jedoch in der Regel bei einem Verkehrsunfall, der über ein kurzes Abkommen ins Bankett hinausgeht, zu rechnen gewesen wäre.

1.3.2 Notrufbeamter

Letztlich liegt auch keine Amtspflichtverletzung des Notrufbeamten vor.

Die Kammer ist zwar davon überzeugt, dass der Notrufbeamte den Zeugen S. aus der ex post Sicht nicht hätte weiterfahren lassen dürfen. Denn dann wäre – wie auch die Zeugen H. und S. bestätigten – ein Auffinden des verunfallten Fahrzeugs sehr wahrscheinlich gewesen. Diese Überzeugung erlangte das Gericht schlussendlich auch deshalb, weil der – aus einer fiktiven Betrachtung – ortsanwesende Zeuge S. den zum Unfallort kommenden Polizeibeamten und Feuerwehrleuten hätte sagen können, dass das Pannenfahrzeug erst nach seinen Wahrnehmungen auf dem Standstreifen zum Stehen kam und seine Wahrnehmung gerade nicht die vom Pannenfahrzeugfahrer erwähnten Lichtprobleme waren.

Dennoch stellt das aus der ex post Sicht festzustellende Versäumnis des Notrufbeamten keine Amtspflichtverletzung dar, da der Notrufbeamte aus seiner Sicht – zum Notrufzeitpunkt – zwischen den Gefahren des Zeugen auf der Autobahn einerseits und dem daraus resultierenden Nutzen andererseits abwägen muss. Es ist einerseits allgemein bekannt, dass der Standstreifen auf Autobahnen eine nicht unerhebliche Gefahr sowohl für den fließenden Verkehr, als auch für die Insassen des Fahrzeugs auf dem Standstreifen mit sich bringt. Auf der anderen Seite wäre die Information, die der Zeuge S. hätte beisteuern können, letztlich elementar gewesen. Dennoch durfte der Notrufbeamte davon ausgehen, dass die hinzugerufenen Streifenbeamten das Unfallfahrzeug finden werden. Denn nach Überzeugung der Kammer sind in nahezu allen erheblichen Verkehrsunfällen, die schlussendlich zum Tod des Unfallfahrers führen, auf der Autobahn deutliche Schäden (PKW-/Reifenteile auf der Fahrbahn, Leitplanke, Wildschutzzaun) zu erkennen, sodass ein Auffinden stets möglich ist. Dies umso mehr, wenn die Polizeibeamten vor Ort und die Feuerwehrleute sogar noch von einem „überschlagenen Fahrzeug” ausgehen, was – wie der uneingeschränkt glaubwürdige Zeuge H. glaubhaft schilderte – später der Notrufzentrale mitgeteilt wurde.

Nach Überzeugung der Kammer durfte der Notrufbeamte die bestehende Gefährdung des Zeugen S. bzw. des fließenden Verkehrs, vor dem Hintergrund der zu erwartenden Schäden am Unfallort und damit der sehr hohen Wahrscheinlichkeit, das Unfallfahrzeug aufzufinden, höher gewichten und den Zeugen S., trotz seines Angebots stehen zu bleiben, weiterschicken.

Auch ein Lotsen auf einen nächsten Parkplatz hätte nach Überzeugung der Kammer nicht weitergeführt, da in diesem Falle das später heranfahrende Pannenfahrzeug durch den Zeugen S. nicht hätte wahrgenommen werden können. Vor diesem Hintergrund hätte auch eine spätere telefonische Rückfrage beim Zeugen S. keinen entscheidenden Hinweis auf die tatsächliche Unfallkonstellation gebracht.

1.3.3 Zusammenfassung

Es handelt sich bei vorliegender Fallkonstellation sicherlich um einen Grenzfall. Die problemlose Möglichkeit, den Zeugen S. für ca. 10 Minuten bis zum Eintreffen der Streifenbeamten an der Unfallstelle warten zu lassen, hätte aus heutiger Sicht aller Wahrscheinlichkeit nach zum Auffinden des Fahrzeugs geführt. Im Ergebnis kommt es aber auf die Sicht des verständigen Notrufbeamten an, der unter Würdigung aller Umstände dieses Einzelfalls zum Zeitpunkt des eingehenden Notrufs noch davon ausgehen durfte, dass die hinzugerufene Streifenbesatzung das verunfallte Fahrzeug auffinden wird. Der Umstand, dass die Tochter der Kläger knapp an der Leitplanke in den Grünstreifen hineingefahren ist und eine längere Strecke parallel zur Fahrbahn fuhr, ohne hierbei erkennbare Beschädigungen zu hinterlassen, ist schlicht atypisch und derart ungewöhnlich, dass der Notrufbeamte diese Variante nicht in seine Erwägungen einbeziehen musste. In aller Regel sind – teilweise massive – Beschädigungen an Leitplanken/Weidezäunen oder an dem verunfallten Fahrzeug selbst (herumliegende Fahrzeugteile) zu erkennen, sodass ein Auffinden bzw. eben auch eine Verwechslungsgefahr mit einem Pannenfahrzeug vermieden wird. Hinzu kommt, dass – ausweislich des Notrufprotokolls – der Zeuge S. nicht, anders als in der Zeugenvernehmung angegeben, „weitergegeben” habe, dass er definitiv ein Auto gesehen habe, dass „neben der Autobahn” war (Prot. S. 3/4 = Bl. 52 / 53 d. A.). Vielmehr berichtete der Zeuge S. im Rahmen des Notrufs zwar von einem von der Autobahn „geflogenen” Fahrzeug, berichtete aber ebenso, dass das Fahrzeug „von der Autobahn abgekommen” sei und es „gestaubt” habe. Diese Schilderung schließt auch die von den Streifenbeamten in Betracht gezogene Fallgestaltung, dass jemand mit dem Reifen ins Bankett abkam, wie es der Zeuge S. berichtete, nicht aus.

Letztlich konnte und durfte sich auch der Notrufbeamte auf die ihm durch die Streifenbeamten übermittelten Erkenntnisse und Sachverhaltsdarstellungen verlassen und ihnen vertrauen.

1.4 Fehlende Kausalität

Letztlich scheitert die Klage – auch – am durch die Klageseite nicht nachgewiesenen zwingenden Nichteintritt des Todes durch das Nichtauffinden des verunfallten Fahrzeugs.

Aufgrund der festgestellten Verletzungen (ausgedehnte Einblutungen und Zertrümmerungen im Bereich der vorderen Beckenregion beidseits, links betont, mit kräftigen Einblutungen ins umgebende Weichteilgewebe und die Muskulatur sowie Einblutungen unter die häutigen Überzüge der angrenzenden Darmanteile; linksseitig offene Fraktur im Bereich des vorderen Beckenkammstachels; Zeichen von prellungsbedingten Verletzungen des Brustkorbes sowie der Lunge mit einer Bluteinatmung ins Lungengewebe in die angrenzenden Anteile) wurde als wahrscheinlichste Todesursache eine Blutaspiration durch die Rechtsmedizin angenommen. Wie sich aus der forensisch-medizinischen Bewertung ergibt, konnte der Todeseintritt nicht genau ermittelt werden. Anhand der vorliegenden Anzeichen bzw. des – mangels anderweitigem Vortrag – auszugehenden Nichtvorhandensein der Totenstarre zum Auffindezeitpunkt am 26.07.2015 gegen 09:09 Uhr, wurde der Todeszeitpunkt auf frühestens 02:00 Uhr festgesetzt. Unter Berücksichtigung des Eintreffens der Rettungskräfte gegen ca. 01:14 Uhr konnte die Rechtsmedizin lediglich eine einfache Wahrscheinlichkeit feststellen, dass – unter Berücksichtigung der vorgenannten Verletzungen – bei unmittelbarem Auffinden, die Verunfallte mit Rettungsmaßnahmen hätte überleben können.

Darüber hinaus würde der Haftungsausschluss des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII greifen. Der Haftungsausschluss ist zwar im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität (§§ 249 ff. BGB) auf Personenschäden (hier: Schmerzensgeldanspruch infolge erbrechtlichem Übergang auf die Kläger) beschränkt. Ein vorsätzliches Handeln liegt jedoch ohnehin im vorliegenden Fall evident bei keinem der beteiligten Amtsträger vor.

2. Mangels Hauptanspruch können die Kläger auch die Nebenforderungen nicht verlangen, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 Satz 2 ZPO.