Die Ehefrau des Klägers hatte dessen Fahrzeug auf einem rechts neben der Fahrbahn einer Vorfahrtsstraße gelegenen Parkstreifen abgestellt. Als sie anschließend wieder auf die Fahrbahn auffuhr, kam es im Bereich einer Einmündung zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beklagten, welcher dabei war, aus der Einmündung in die Vorfahrtsstraße einzubiegen. Ein Sachverständiger stellte fest, dass die Ehefrau des Klägers mit dessen Fahrzeug 1,5 – 3,8 Sekunden vor dem Beklagten losgefahren sei.
Nach Auffassung des LG Saarbrücken ist die Ehefrau des Klägers, auch unmittelbar nach dem Fahren vom Seitenstreifen auf die Fahrbahn, gegenüber dem Beklagten vorfahrtsberechtigt gewesen. Ihr Anfahrvorgang sei für den Beklagten erkennbar gewesen. Ein Verstoß der Ehefrau gegen § 10 S. 1 StVO stehe nicht fest; ein Anscheinsbeweis komme auf den in einer Vorfahrtsstraße Anfahrenden im Verhältnis zu dem aus einer wartepflichtigen Straße Einbiegenden nicht zur Anwendung. Sie habe durch ihr unvorsichtiges Anfahren allerdings gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, da sie in einer Situation wie der vorliegenden besonders vorsichtig an den Einmündungsbereich habe heranfahren müssen. Es sei naheliegend gewesen, dass der wartepflichtige Beklagte ein erst anfahrendes Fahrzeug übersehen könnte. Der Kläger müsse sich daher eine Mithaftung von 30 % anrechnen lassen.
LG Saarbrücken, Urteil vom 19.05.2017 – 13 S 4/17
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 30.11.2016 – 26 C 205/16 (11) – abgeändert. Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung werden die Beklagten bei Klageabweisung im Übrigen als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 806,09 Euro und 81,99 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.01.2016, zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 62 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 38 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 49 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 51 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Gegenstand der Klage sind Ansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfall vom 19.02.2015 in … in der … in Höhe der Einmündung der … .
Die Ehefrau des Klägers, die Zeugin … …, hatte das Fahrzeug des Klägers auf einem rechts neben der Fahrbahn der … gelegenen Parkstreifen abgestellt. Nachdem sie von dem Parkstreifen wieder in die Fahrbahn Richtung … eingefahren war, kam es im Bereich der Einmündung der … in die … zur Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten, der aus der … nach links in die … eingebogen war. Für die aus der … kommenden Fahrzeuge ordnet Zeichen 205 „Vorfahrt achten“ an.
Mit seiner Klage hat der Kläger Ersatz des Fahrzeugschadens in Höhe von 2.476,79 € netto, von Sachverständigenkosten in Höhe von 612,73 € sowie eine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und zuzüglich Zinsen unter Abzug einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten zu 2) in Höhe von 1000 € auf den Schaden und von 147,56 € auf die Anwaltskosten begehrt. Er hat behauptet, die Zeugin … sei bereits wieder im fließenden Verkehr gefahren, als der Erstbeklagte unter Missachtung ihrer Vorfahrt in die … eingebogen sei.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten und haben eingewandt, die Zeugin sei unachtsam und ohne vorherige Ankündigung vom Parkstreifen in den fließenden Verkehr eingefahren, als der Erstbeklagte bereits im Begriff gewesen sei, in die … einzubiegen.
Das Erstgericht hat der Klage unter Annahme einer Haftung der Beklagten in Höhe von einem Drittel teilweise stattgegeben und dabei die Reparaturkosten und die Sachverständigenkosten gekürzt.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher er das amtsgerichtliche Urteil hinsichtlich der Haftungsquote angreift. Die Abzüge bei den Schadenpositionen nimmt er hin, sodass sich seine Forderung unter Berücksichtigung der vorprozessualen Zahlung noch auf 1.580,13 € nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und zuzüglich Zinsen beläuft.
Die Beklagten verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung ist teilweise begründet.
1. Zutreffend ist das Amtsgericht zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Kläger- wie die Beklagtenseite dem Grunde nach gemäß § 7, § 17 StVG iVm. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG für die Folgen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalles einzustehen haben, weil sich der Unfall jeweils beim Betrieb der beteiligten Kraftfahrzeuge ereignet hat und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis war. Entgegen der Auffassung der Berufung gilt dies auch hinsichtlich der Zeugin … . Nach dem Ergebnis des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Zeugin genügend Zeit hatte, auf den in die … einbiegenden Beklagten-Pkw zu reagieren und eine Kollision durch eine Bremsung zu vermeiden.
2. In die dann gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG vorzunehmende Haftungsabwägung hat das Amtsgericht zutreffend einen unfallursächlichen Verkehrsverstoß des Erstbeklagten eingestellt. Dieser hat die Vorfahrt des Klägerfahrzeugs nicht beachtet.
a) Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 StVO soll den zügigen Verkehr auf den Vorfahrtstraßen gewährleisten und damit durch klare und sichere Verkehrsregeln auch der Sicherheit des Straßenverkehrs dienen (BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – VI ZR 279/13, VersR 2014, 894). Grundsätzlich sind dabei alle Fahrzeuge auf der Vorfahrtsstraße gegenüber dem Verkehr aus der untergeordneten Straße bevorrechtigt (BayObLG VRS 65, 154). Das gilt allerdings nicht unabhängig davon, welches Fahrmanöver sie gerade ausführen. So ist ein Vorfahrtsrecht desjenigen verneint worden, der im Bereich der Einmündung einer wartepflichtigen Straße aus einem Grundstück in die Vorfahrtstraße einfährt und diese schräg überquert, ohne sich in den Verkehr der Vorfahrtsstraße einzuordnen (BayObLG, VRS 38, 74). Auch soll der Benutzer einer bevorrechtigten Straße mit zwei gleichartigen, durch einen Mittelstreifen getrennten Fahrbahnen beim Wenden über einen Mittelstreifendurchbruch dem ihm dabei aus einer nicht bevorrechtigten Straße entgegenkommenden Verkehr wartepflichtig sein (KG, Beschluss vom 6. Juli 1998 – 2 Ss 107/98 – 3 Ws (B) 320/98, juris; OLG Hamburg, DAR 1981, 327; a. A. OLG Düsseldorf, VRS 40, 294), weil der Wendende dem Verkehr aus der untergeordneten Straße in dieser Situation wie ein entgegenkommender Linksabbieger begegne, so dass er diesen gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 StVO passieren lassen müsse (vgl. LG Berlin, VersR 2001, 78).
b) Hier jedoch war die Ehefrau des Klägers gegenüber dem Erstbeklagten vorfahrtberechtigt, auch wenn sie erst von dem Parkstreifen in die Fahrbahn der … einfuhr. Das Vorfahrtsrecht erstreckt sich grundsätzlich auf die gesamte Fahrbahnbreite einschließlich neben der Fahrbahn liegender Radwege (BGH, Beschluss vom 9. Juli 1965 – 4 StR 282/65, NJW 1965, 1772; OLG Düsseldorf NZV 1994, 328; OLG Hamm, NZV 1998, 26). Die Vorfahrt steht auch Benutzern von Seitenstreifen in Verhältnis zu anderen Straßen zu (König in: Hentschel u. a., Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 8 Rn. 28). Verlässt ein Verkehrsteilnehmer die Vorfahrtstraße, besteht seine Vorfahrt so lange fort, bis er die Straße mit der ganzen Länge seines Fahrzeugs verlassen hat (BGH, Urteil vom 27. Februar 2014 – VI ZR 279/13, VersR 2014, 894). Der Zweck der Vorfahrtsregel gebietet es, die Vorfahrt auch auf solche Fahrzeuge zu erstrecken, die – wie hier die Ehefrau des Klägers – dabei sind, von einem Seitenstreifen in den fließenden Verkehr der Vorfahrtsstraße einzufahren. Würde man ein Vorfahrtsrecht verneinen, müsste ein Anfahrmanöver unterbleiben, wenn im Zeitpunkt des Anfahrens ein Fahrzeug mit erkennbarer Abbiegeabsicht an einer Einmündung oder Kreuzung steht, auf die der Anfahrende zufährt. Ferner müsste ein bereits eingeleitetes Anfahrmanöver abgebrochen werden, wenn nach teilweisem Einfahren in die Fahrbahn ein Fahrzeug an die Kreuzung oder Einmündung heranfährt, dessen Einbiegen in die Vorfahrtstraße bei Fortsetzung des Anfahrens behindert werden würde. Diese Einschränkung des Vorfahrtsrechts wäre mit dem oben dargelegten Zweck der Vorfahrtsregel nicht vereinbar. Denn durch den erzwungenen Abbruch des Anfahrmanövers würde der fließende Verkehr in der Vorfahrtstraße behindert, selbst wenn der Anfahrende vor dem Losfahren nicht mit einer solchen Behinderung rechnen musste, weil sich zu diesem Zeitpunkt noch kein Fahrzeug an der Einmündung oder Kreuzung befand. Dies lässt sich mit der durch die Vorfahrtsregel erstrebten Sicherheit und Zügigkeit des Verkehrs in der Vorfahrtstraße nicht vereinbaren. Daher sprechen die besseren Gründe dafür, dem anfahrenden Fahrzeug die Vorfahrt schon dann zuzubilligen, sobald es den Seitenstreifen teilweise verlassen hat und in die Fahrbahn eingefahren ist.
c) Das war hier der Fall. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist das klägerische Fahrzeug 1,5-3,8 Sekunden vor dem Beklagtenfahrzeug losgefahren. Dieser Anfahrvorgang war für den Erstbeklagten auch erkennbar, als er noch an der Haltelinie vor der Einmündung in die … stand. Da er das Klägerfahrzeug nach eigenem Bekunden erst im Moment des Zusammenstoßes wahrnahm, steht fest, dass er auf den Verkehr in der … nicht in ausreichendem Maße geachtet hat. Das wird in der Berufungsinstanz auch nicht angegriffen.
3. Dagegen steht ein Verstoß der Zeugin … gegen die sich aus § 10 Satz 1 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten nicht fest.
a) Ein solcher Verstoß ergibt sich nicht aus den Grundsätzen des Anscheinsbeweises. Zwar spricht regelmäßig der Beweis des ersten Anscheins für die schuldhafte und unfallursächliche Verletzung der Pflicht aus § 10 Satz 1 StVO, eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, wenn es im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Einfahren in die Fahrbahn zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr kommt (OLG Düsseldorf, VersR 1987, 909; OLG Hamm, NZV 2014, 409; KG, NZV 2008, 626; Kammer, Urteil vom 30. September 2016 – 13 S 68/16, juris; Dauer in: Hentschel u. a., Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 10 Rn. 11 mwN.). Der unmittelbare räumliche und zeitliche Zusammenhang wird dabei auch noch gewahrt, wenn der Einfahrende eine Strecke zwischen 10 und 15 Meter von dem Einfahrort bis zum Kollisionsort zurückgelegt und sich noch nicht in den Verkehrsfluss eingegliedert hat (vgl. Kammerurteil vom 19. April 2013 – 13 S 10/13).
Diese Regeln können aber auf den in einer Vorfahrtsstraße Anfahrenden im Verhältnis zu einem aus einer wartepflichtigen Straße Einbiegenden nicht unverändert Anwendung finden. Denn sie finden ihre Rechtfertigung darin, dass die besonderen Gefahren des Einfahrens oder Anfahrens so lange fortwirken, bis das Einordnen in den fließenden Verkehr abgeschlossen ist (vgl. OLG Köln, VersR 1986, 666). Demgegenüber wird der in die Vorfahrtstraße einbiegende Verkehr durch das An- oder Einfahren nicht in gleicher Weise gefährdet. Zwar kann der Wartepflichtige ein Fahrzeug, das neben der Fahrbahn steht, schwerer als mögliche Gefahrenquelle erkennen als Fahrzeuge im fließenden Verkehr. Fährt es aber erkennbar auf die Fahrbahn ein, kann er ihm gegenüber wie bei jedem anderen vorfahrtberechtigten Fahrzeug die Pflichten nach § 8 Abs. 1 StVO beachten. Weil es infolge des Anfahrvorgangs tendenziell langsamer unterwegs ist als der „normale“ fließende Verkehr in der bevorrechtigten Straße, stellt ein vom Straßenrand anfahrendes Fahrzeug für den Einbiegenden sogar eine geringere Gefahr dar als der übrige vorfahrtberechtigte fließende Verkehr. Daher ist es gerechtfertigt, gegenüber dem einbiegenden Verkehr nur verkürzte Sorgfaltspflichten des in der Vorfahrtstraße Anfahrenden anzunehmen. Die Pflicht zur höchstmöglichen Sorgfalt besteht insoweit nur solange, bis sein Anfahrvorgang für den Wartepflichtigen, der sich noch in der untergeordneten Straße befindet, erkennbar ist.
b) Danach hat die Zeugin … hier nicht gegen ihre Pflichten aus § 10 Satz 1 StVO verstoßen. Vom Anfahren bis zur Kollisionsstelle legte sie nach den Feststellungen des Sachverständigen eine Strecke von 25-30 Meter zurück. Für den fließenden Verkehr in der … mögen auch nach dieser Wegstrecke noch Gefahren ausgegangen sein, weil das Klägerfahrzeug noch nicht eine innerorts übliche Geschwindigkeit erreicht hatte und deswegen nachfolgende Fahrzeuge möglicherweise noch behindern konnte. Der Erstbeklagte hingegen konnte das Einfahren der Klägerin in die Fahrbahn, das 1,5-3,8 Sekunden vor der Einleitung seines eigenen Abbiegemanövers begann, rechtzeitig erkennen. Umgekehrt brauchte die Zeugin das Anfahren nicht zurückzustellen, weil das Beklagtenfahrzeug bei dessen Beginn noch an der Haltlinie in der … stand und seine Gefährdung daher nicht zu besorgen war.
4. Der Zeugin … ist jedoch ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorzuwerfen, wonach sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten hat, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird.
a) Nach diesem Gebot der Rücksichtnahme muss ein Verkehrsteilnehmer im Einzelfall selbst dann zurückstehen, wenn er objektiv vorfahrtsberechtigt ist, er jedoch ausnahmsweise auf die Beachtung der Vorfahrt durch den Wartepflichtigen nicht vertrauen darf. Der allgemeine Grundsatz, dass der Berechtigte auf die Beachtung seiner Vorfahrt durch den Wartepflichtigen vertrauen darf, gilt dann nicht, wenn konkrete Umstände Anlass zu der Befürchtung geben, ein anderer Verkehrsteilnehmer werde die Vorfahrt verletzen (vgl. OLG Hamm, VersR 1989, 755; OLG Düsseldorf, VersR 1981, 862; Dauer in: Hentschel u. a., Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 8 Rdn. 51 mwN.). So darf beispielweise derjenige, der in die Vorfahrtstraße soeben erst einbiegt, auf die Beachtung seiner (künftigen) Vorfahrt nicht vertrauen, solange die Vorfahrtstraße für den Wartepflichtigen frei erscheint (BayObLG, DAR 1978, 282). Muss aber der Vorfahrtberechtigte nach den Umständen damit rechnen, dass sein Vorfahrtrecht nicht beachtet werden wird, darf er seine Vorfahrt nicht erzwingen, sondern muss Maßnahmen zur Verhütung eines Zusammenstoßes ergreifen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1958 – 4 StR 40/58, VersR 1959, 297).
b) So liegt der Fall hier. Die Zeugin musste in der besonderen Situation, in der sie erst kurz zuvor vom Parkstreifen auf die Fahrbahn eingefahren war und dabei das an der Einmündung stehende Beklagtenfahrzeug auch erkennen konnte, mit der naheliegenden Möglichkeit rechnen, dass dessen Fahrer ihren Vorrang übersehen würde (vgl. dazu Kammer, Urteil vom 8. April 2011 – 13 S 17/11, NZV 2011, 541). Sie hätte daher in besonderer Weise auf dieses Fahrzeug achten und vorsichtig an den Einmündungsbereich heran fahren müssen. Das hat sie nicht getan, sondern nach eigenem Bekunden das Beklagtenfahrzeug erst im letzten Augenblick vor dem Anstoß im Augenwinkel gesehen. Dieser Bewertung steht die Feststellung des Sachverständigen, der Unfall sei je nach Anfahrgeschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge für die Zeugin … möglicherweise unvermeidbar gewesen, nicht entgegen. Diese Bewertung beruht nämlich auf der Annahme eines normalen Anfahrvorgangs mit sich kontinuierlich steigender Geschwindigkeit, was den Anforderungen an die von der Zeugin zu beachtende Sorgfalt gerade nicht entsprochen hätte.
5. Bei der Abwägung der vorstehend dargestellten Verursachungsbeiträge erscheint es im Hinblick auf den Vorfahrtsverstoß des Erstbeklagten angemessen, bei diesem einen höheren Haftungsanteil anzusetzen. Demgegenüber ist der Verstoß der Zeugin … gegen das Rücksichtnahmegebot von geringem Gewicht, sodass eine Mithaftung des Klägers in Höhe von 30 % gerechtfertigt erscheint.
6. Die Schadenshöhe ist mit 2.580,13 Euro nunmehr unstreitig. Hiervon stehen dem Kläger 70 %, also 1.806,09 Euro zu. Nach Abzug der vorprozessualen Zahlung verbleiben noch 806,09 Euro.
7. Aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Kläger auch die Erstattung vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten verlangen. Bei einem Gegenstandswert von 1.806,09 Euro errechnen sich für eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV zum RVG (172,90 Euro) zuzüglich Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV zum RVG (20,00 Euro) und Umsatzsteuer (36,65 Euro) insgesamt 229,55 Euro. Da die Zweitbeklagte bereits 147,56 Euro gezahlt hat, stehen dem Kläger noch 81,99 Euro zu.
8. Zinsen stehen dem Kläger nach § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB zu.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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