ORLEN Deutschland GmbH, Wikimedia Commons

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Der Kläger behauptet, auf dem Weg zur Kasse des Tankstellengeländes der Beklagten auf dem rutschigen, da witterungsbedingt nassen und außerdem öligen Boden ausgerutscht und gestürzt zu sein, wobei er sich Verletzungen zugezogen habe. Die Beklagte behauptet, ihre Mitarbeiter dazu angehalten zu haben, die Zapfsäulen regelmäßig zu kontrollieren und bei ausgelaufenem Kraftstoff Bindemittel aufzutragen und dies zu melden. Am fraglichen Tag seien keine Beschwerden eingegangen, auch enthalte das geführte Protokoll keine Hinweise auf besondere Glätte. Die Betonoberfläche des Bodens sei angeraut und nicht glatt gewesen. Laut LG Dessau-Roßlau finden die allgemeinen Grundsätze der Verkehrssicherungspflicht wie auf öffentlichen Verkehrsflächen Anwendung. Danach habe die Beklagte nach Möglichkeit ihre Kunden vor Schaden auf dem Grundstück zu bewahren, was auch die Beseitigung witterungsbedingter Gefahrenstellen einschließe; der Ausschluss jeder Gefahr sei aber nicht erreichbar. Es müssten daher die von einem umsichtigen, verständigen und in vernünftigen Grenzen vorsichtigen Menschen für notwendig und ausreichend erachteten Maßnahmen genügen. Kunden müssten den Tankstellenboden in dem Zustand hinnehmen, wie er sich ihnen erkennnbar darbietet; sie seien nur vor Gefahren zu schützen, die sie unter der gebotenen Sorgfalt nicht rechtzeitig erkennen können. Diese Grundsätze habe die Beklagte nicht verletzt: Eine allgemeine Warnung vor witterungsbedingter Nässe sei nicht notwendig, da jeder Kunde damit zu rechnen habe. Gleiches gelte für geringe Mengen Kraftstoff, die beim Entnehmen oder Einführen der Zapfpistole austreten und auf den Boden tropfen können. Eine Vermischung von Regenwasser und Kraftstoff, die zu einer besonderen Rutschgefahr führt, könne hingegen eine Verkehrssicherungspflicht auslösen, wenn sie dem Betreiber der Tankstelle bekannt ist und bekannt sein muss; hier sei jedoch weder eine solche besondere Rutschgefahr noch eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten nachgewiesen worden (LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 10.08.2016 – 2 O 46/16).

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

1. Der Streitwert wird 12.127,13 € festgesetzt.

2. Der Antrag des Klägers auf Gewährung eines Schriftsatznachlasses wird zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Er betankte am 08.01.2015 um 18.30 Uhr in der von der Beklagten in B.-W. betriebenen Tankstelle sein Fahrzeug.

Der Kläger behauptet, er sei nach dem Tanken auf dem Weg von der Tanksäule zur Kasse auf dem nassen, öligen und rutschigen Boden ausgerutscht und zu Fall gekommen. Dabei habe er noch versucht sich mit dem linken Arm abzustützen. Bei dem Sturz habe sich der Kläger eine Rotatorenmanschettenruptur der linken Schulter zugezogen. Im Ergebnis einer MRT habe sich ferner herausgestellt, dass zwei Sehnen gerissen seien, die lange Bizepssehne gesplittert und die Kapsel an der Kante abgebrochen sei. Er sei vom 23.02. bis zum 26.02.2015 und erneut vom 07.04. bis zum 09.04.2016 stationär im Wege einer Arthroskopie behandelt worden. In der Zeit vom 07.04. bis zum 11.05.2015 habe er sich einer ambulanten Rehabilitation mit 20 Therapieeinheiten unterziehen müssen. Bis zum 17.05.2015 sei er arbeitsunfähig gewesen und habe in diesem Zeitraum 54 Physiotherapietermine wahrnehmen müssen. Etwaige Spätfolgen seien derzeit noch nicht absehbar. Der Kläger habe insgesamt 150,78 € an Zuzahlungen für Heilbehandlungen und Medikamente leisten müssen und einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 1.076,35 € erlitten. Daneben sei ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000,00 € gerechtfertigt.

Einige Zeit nach dem schädigenden Ereignis habe die Zeugin K. auf seine Bitte hin schriftlich bestätigt, dass der Boden nass und rutschig gewesen sei. Angesichts des am gesamten Tag herrschenden Regens habe die Beklagte ihre Pflicht verletzt, den Boden in angemessenen zeitlichen Abständen auf eingebrachte Feuchtigkeit zu überprüfen, betroffene Bereiche erforderlichenfalls abzustumpfen und ihre Kunden vor der durch die Feuchtigkeit hervorgerufene Glätte zu warnen. Zudem habe sie nicht den Fußboden mit der bestmöglichen Rutschfestigkeit ausgewählt.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.06.2015 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen an ihn 1.227,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.06.2015 zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftig eintretenden immateriellen und materiellen Schäden aus dem Vorfall vom 08.01.2015 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind,

4. die Beklagte zu verurteilen an ihn außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958.19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.02.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, nach den eigenen Angaben des Klägers habe sich der Sturz in einiger Entfernung von der von ihm benutzten Tanksäule in einem Bereich ereignet, in dem es nicht zum Austritt von Kraftstoff kommen könne. Die Mitarbeiter der Tankstelle seien angehalten, die Tanksäulen regelmäßig zu kontrollieren und das Ergebnis zu protokollieren. Stellten sie ausgelaufenen oder verschütteten Kraftstoff fest, hätten sie unverzüglich Bindemittel aufzutragen und den Vorfall zu melden. Für den 08.01.2015 sei kein ausgelaufener Kraftstoff gemeldet worden. Auch die Protokolleintragungen enthielten keinen Hinweis auf besondere Glätte. Der Boden bestehe aus einer angerauten Betonoberfläche und werde allein infolge der durch Fahrzeuge eingetragenen Feuchtigkeit nicht glatt. Die Mitarbeiterin habe dem Kläger nicht ihre eigenen Wahrnehmungen, sondern lediglich dessen Angaben bestätigt. Es fehle daher an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Daneben bestreitet die Beklagte den Hergang des schädigenden Ereignisses, die erlittenen Verletzungen sowie den Behandlungs- und Heilungsverlauf mit Nichtwissen. Die Höhe des geforderten Schmerzensgeldes sei übersetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß der prozessleitenden Verfügung vom 10.06.2016 durch Vernehmung der Zeugen K. und L.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10.08.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen vertraglichen noch einen deliktischen Schadensersatzanspruch.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass die Beklagte die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Die Beklagte trifft insoweit die zwar die grundsätzliche Pflicht dafür Sorge zu tragen, dass Kunden auf ihrem Gewerbegrundstück nicht zu Schaden kommen. Hierzu gehört es auch, witterungsbedingte Gefahrenquellen zu beseitigen und deren Neuentstehung zu unterbinden (OLG Celle, Urt. v. 13.09.1999 – 6 U 43/99; juris). Allerdings ist eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, nicht erreichbar. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst deshalb nur diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger, verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (st. Rspr., zuletzt BGH, Urt. vom 02.10.2012 – VI ZR 311/11 m. zahlr. Nachw.; juris). Der Dritte ist regelmäßig nur vor denjenigen Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann, nicht aber vor allgemeinen Gefahren, die jedermann vor Augen stehen und vor denen sich der Betroffene ohne weiteres selbst schützen kann. Dabei muss auch der Nutzer einer Tankstelle wie bei einer Verkehrsfläche deren Zustand so hinnehmen, wie er sich ihm erkennbar darbietet.

Gemessen an diesem gleichermaßen für vertragliche wie für deliktische Ansprüche geltenden Sorgfaltsmaßstab war die Beklagte nicht gehalten, auf bei Regen durch Fahrzeuge eingebrachte Nässe besonders hinzuweisen und hiergegen Vorkehrungen zu treffen. Hierbei handelt es sich um eine normale witterungsbedingte Erscheinung, die jedermann vor Augen steht, mit deren allgemeinen Begleiterscheinungen der Kunde auch außerhalb des Tankstellengeländes in anderen Verkehrsbereichen zu rechnen und auf die er sich von vornherein einzurichten hat. Der Austritt geringfügiger Mengen von Kraftstoff beim Einführen der Zapfpistole in den Tankstutzen oder Entnehmen ist ebenfalls ein derart verbreitetes Phänomen, dass der Benutzer einer Tankstelle hiermit ohne weiteres zu rechnen hat. Die Beklagte hätte deshalb nur dann tätig werden müssen, wenn ihr bekannt gewesen wäre oder hätte sein müssen, dass es in einem konkreten Bereich infolge der Vermischung von Niederschlagswasser und ausgelaufenem Kraftstoff zur Bildung eines rutschigen Oberflächenfilms gekommen ist, den sie hätte abstumpfen müssen.

Die Beweisaufnahme hat jedoch bereits nicht ergeben, dass der Kläger überhaupt in dem von ihm behaupteten Bereich auf öligem, glattem Fußboden ausgerutscht und gestürzt ist. Die zum behaupteten Hergang des schädigenden Ereignisses vernommene Zeugin Sch. (ehemals K.) hat zwar bestätigt, dass ihr der Kläger anlässlich des Bezahlvorgangs von seinem Sturz berichtet hat. Sie selbst habe aber das schädigende Ereignis nicht beobachtet und sich im Anschluss auch nicht unmittelbar von der Richtigkeit der Angaben des Klägers überzeugt. Die Zeugin habe die behauptete Sturzstelle lediglich von der Eingangstür aus in Augenschein genommen und dabei keine Auffälligkeiten feststellen können. Bei routinemäßigen Kontrollgängen im Verlaufe ihrer Schicht sei ihr zwar die witterungsbedingte Nässe, aber keine Glättebildung aufgefallen. Mit der später abgegebenen Erklärung habe sie lediglich die ungeprüften Angaben des Klägers ihr gegenüber am Schadenstag bestätigen wollen. Die Bestätigung beruhe nicht auf eigener Wahrnehmung.

Die Angaben des Klägers werden darüber hinaus durch weitere Umstände erschüttert. So ist, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, im Regelfall mit dem Austreten von Kraftstoff aufgrund unachtsamen Verhaltens von Kunden am ehesten im unmittelbaren Bereich der Tanksäulen zu rechnen, wie auch der Zeuge L. bekundet hat, der die Mengen als sog. Tropfmengen bezeichnet hat. Dabei handelt es sich üblicherweise um kleinere Mengen, die regelmäßig nicht geeignet sind, in der vom Kläger behaupteten Entfernung zur Tanksäule einen Ölfilm nennenswerten Ausmaßes zu erzeugen. Mit der Ausbreitung größerer Kraftstoffmengen ist entweder bei einem Defekt der Zapfpistole oder aber dann zu rechnen, wenn ein Kunde die Zapfpistole über längere Zeit betätigt, entweder bevor er sie in den Tankstutzen seines Fahrzeugs einführt, oder im Anschluss an den Tankvorgang. Von einem Austritt einer solchen Menge von Kraftstoff, dass sie auch der diensthabenden Zeugin Sch. nicht hätte verborgen bleiben können, ist bereits nach dem eigenen tatsächlichen Vorbringen des Klägers nicht auszugehen, weil er selbst erklärt hat, ein Ölfilm sei optisch nicht wahrnehmbar gewesen. Die Behauptung steht im Übrigen auch der Mutmaßung des Klägers entgegen, ausgelaufener Kraftstoff könne aufgrund des im Boden vorhandenen Gefälles von der Tanksäule zur Sturzstelle geflossen sein. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass eine unmittelbar an der Tanksäule entstandene Tropfmenge zuvor durch andere Fahrzeuge verschleppt worden sein könnte, bestehen gleichfalls nicht, weil sich der Sturz hinter dem Fahrzeug ereignet haben soll und der Zeuge L. geschildert hat, dass die Kunden das Tankstellengelände – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur aus einer Richtung kommend befahren. Eine verschleppte Ölspur wäre deshalb nicht hinter, sondern vor dem Fahrzeug des Klägers zu erwarten gewesen.

Gegen die Behauptung des Klägers spricht ferner das vom Zeugen L. geschilderte strenge Kontrollregime, das zur Erfüllung der Pflichten der Beklagten gegenüber der Mineralölgesellschaft eingerichtet ist und nach dem die Angestellten der Beklagten sowohl zu regelmäßigen Überprüfungen als auch zur unverzüglichen Anzeige verpflichtet sind. Der Zeuge hat bekundet, dass im Rahmen dieser Kontrollen am 08.01.2015 keine Glättebildungen angezeigt worden sind, die das Aufbringen von Bindemitteln erfordert hätten.

Angesichts der vom Zeugen ferner angegebenen Zahl von durchschnittlich 800 Kunden am Tag, verteilt auf drei Tanksäulen, wäre zu erwarten gewesen, dass es bei einer Glättebildung nennenswerten Ausmaßes, die Schutzvorkehrungen der Beklagten erfordert hätten, entsprechende Beanstandungen durch weitere Kunden gegeben hätte, wofür jedoch nichts ersichtlich ist.

Dem auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantritt des Klägers für seine Behauptung, die Beklagte habe keinen Fußboden mit größtmöglicher Rutschfestigkeit verwendet, ist nicht nachzugehen. Es ist von vornherein nicht erkennbar, dass der im Bereich der Tanksäulen bestehende Betonboden nicht dem derzeitigen Stand der Technik entspricht oder unter Verstoß gegen das insoweit bestehende technische Regelwerk errichtet worden wäre. Der Zeuge L. hat zudem die Behauptung bestätigt, der Betonboden im Bereich der Tanksäulen besitze eine angeraute Oberfläche. Der Beweisantritt ist damit auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet, weil er dem Zweck dienen würde, dem Kläger durch den Sachverständigen entsprechende Tatsachenbehauptungen erst an die Hand zu geben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert ist nach den Angaben des Klägers für den Antrag zu Ziffer 1. auf 10.000,00 €, für den Feststellungsantrag zu Ziffer 3. auf 1.000,00 € und damit insgesamt auf 12.127,13 € zu bemessen.

Dem Kläger war im Hinblick auf den Schriftsatz der Beklagten vom 03.08.2016 kein Schriftsatznachlass zu gewähren, weil das darin enthaltene tatsächliche Vorbringen nicht entscheidungserheblich ist.