Verurteilungen wegen Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) sind fehleranfällig, wie auch diese BGH-Entscheidung noch einmal zeigt: Der Angeklagte hatte Amphetamine und Cannabis konsumiert, ein Fahrzeug – ohne Fahrerlaubnis, ohne Versicherungsschutz sowie mit einem falschen Kennzeichen – geführt und war vor der Polizei geflüchtet, wobei er ein geparktes Fahrzeug beschädigt hat. Dem Urteil des Landgerichts konnte schon nicht sicher entnommen werden, ob hier eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination oder reine Fahrlässigkeit vorlag. Zudem gab der BGH zu bedenken, dass eine rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit ander als bei Alkohol nicht allein durch eine Blutanalyse nachgewiesen werden kann. Es bedürfe weiterer Beweisanzeichen, wobei auch die Polizeiflucht und dabei auftretende Fahrfehler in die Prüfung einbezogen werden müssten. Beim Sachschaden müsse zuerst geprüft werden, ob die gefährdete Sache einen bedeutenden Wert habe – was bei älteren oder vorbeschädigten Fahrzeugen zweifelhaft sein könne – und in einem zweiten Schritt, ob der Sache ein bedeutender Schaden gedroht hat (BGH, Beschluss vom 31.01.2017 – 4 StR 597/16).
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 8. September 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen von Waffen“ und Urkundenfälschung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und einem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat Erfolg.
1. Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a), Abs. 3 Nr. 1 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil die zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen widersprüchlich sind und deshalb nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügen.
a) Danach sind die für erwiesen erachteten Tatsachen anzugeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Hierzu hat der Tatrichter auf der Grundlage einer vorausgegangenen rechtlichen Subsumtion die Urteilsgründe so abzufassen, dass sie in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen können (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2007 – 4 StR 386/07, NStZ-RR 2008, 83, 84; Beschluss vom 13. Januar 2005 – 3 StR 473/04, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 13). Ein Urteil weist daher einen auf die Sachrüge hin zu beachtenden Rechtsfehler auf, wenn die Darstellung des strafbaren Verhaltens in wesentlichen Teilen unvollständig oder widersprüchlich ist und deshalb unklar bleibt, welche Tatsachen das Gericht aufgrund der Hauptverhandlung für erwiesen hält und welchen Sachverhalt es seiner rechtlichen Beurteilung eigentlich zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08).
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe hinsichtlich der Verurteilung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a), Abs. 3 Nr. 1 StGB nicht gerecht.
Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte aufgrund des vorangegangenen Konsums von Amphetaminen und Cannabis nicht mehr in der Lage war, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, als er am 1. Juni 2016 mit seinem Pkw mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch Halle (Saale) fuhr und, nachdem er – inzwischen von der Polizei verfolgt – in falscher Richtung durch eine Einbahnstraße gefahren war, bei einem Einparkversuch frontal gegen ein anderes Fahrzeug stieß. Zur inneren Tatseite hat die Strafkammer dabei zwar zunächst festgestellt, dass der Angeklagte seine Fahruntüchtigkeit auch erkannt hatte und die konkrete Gefährdung des am Straßenrand abgestellten Pkw vorhersehen und vermeiden konnte (UA 7 und 8). Dann aber hat sie an anderer Stelle ausgeführt, dass er „bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen können, dass er aufgrund seines Drogenkonsums nicht fahrtüchtig war und dies billigend in Kauf nahm“ (UA 8). Auf UA 9 heißt es schließlich, dass dem Angeklagten bewusst war, dass er aufgrund der zuvor genossenen Drogen nicht mehr in der Lage war, das „Kraftfahrzeug sicher zu fahren“ und es in Kauf nahm, dass er dabei fremde Sachen von erheblichem Wert gefährdete. Danach bleibt unklar, ob sich der Angeklagte – wovon das Landgericht in der rechtlichen Würdigung ausgegangen ist – einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung (Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination) oder nur einer Fahrlässigkeitstat gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a), Abs. 3 Nr. 2 StGB schuldig gemacht hat. Diese Unklarheit lässt sich auch nicht durch eine ergänzende Heranziehung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe auflösen, denn die Beweiswürdigung erschöpft sich insoweit in der Mitteilung, dass sich der Angeklagte „vollgeständig“ eingelassen habe. Auch die in den Feststellungen zur Sache enthaltenen weiteren Erwägungen zur Fahruntüchtigkeit des Angeklagten (unangepasste Fahrweise, Kontrollverlust) geben hierzu keinen weiteren Aufschluss.
2. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Urteils.
a) Die – an sich rechtsfehlerfreien – Verurteilungen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG und vorsätzlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz gemäß § 6 Abs. 1 PflVG (dem Angeklagten war bekannt, dass er nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte und das von ihm geführte Fahrzeug nicht haftpflichtversichert war) sowie wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB (an dem Pkw des Angeklagten war ein von einem anderen Fahrzeug abmontiertes amtliches Kennzeichen angebracht) können nicht bestehen bleiben, weil sie zu der rechtsfehlerhaften Verurteilung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit stehen. Würden sie in Rechtskraft erwachsen, hätte dies zur Folge, dass einer weiteren Verfolgung der zugrunde liegenden Tat unter dem Gesichtspunkt des § 315c StGB das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) entgegenstünde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
b) Auch die ebenfalls für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (Transport von 12,6 Gramm Methamphetamin [6,69 Gramm Methamphetaminbase] und 39 MDMA-haltigen „Ecstasy-Tabletten“ zu Handelszwecken mit zwei griffbereit abgelegten Wurfmessern) war mit aufzuheben. Zwar hat das Landgericht insoweit Tatmehrheit (§ 53 StGB) angenommen. Dies führt hier aber nicht zur Teilbarkeit der Aufhebung, denn der Auffassung des Landgerichts zu dem Konkurrenzverhältnis zwischen dieser und den übrigen Gesetzesverletzungen kann nicht gefolgt werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Pkw befördert (Einfuhrfahrt, Transportfahrt vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu Abnehmern etc.), durch das Führen des Transportfahrzeuges weitere Gesetzesverstöße, so stehen diese zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit nach § 52 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2013 – 4 StR 187/13, NStZ-RR 2013, 320, 321 mwN). Nach den Feststellungen des Landgerichts diente die in Rede stehende Fahrt „den Verkäufen von Drogen zur Einnahmeerzielung“ (UA 8).
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
a) Anders als bei Alkohol kann der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a), § 316 StGB nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Es bedarf daher neben dem Blutwirkstoffbefund noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juni 2015 – 4 StR 111/15, NZV 2015, 562 [Ls]). Grundsätzlich kann hierbei auch aus der Fahrweise auf eine relative Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Befand sich der Täter – wie hier – auf der Flucht vor der Polizei, muss dies in die Beurteilung des Indizwertes seines Fahrverhaltens einbezogen werden. Dabei ist der Tatrichter nicht gehindert, auch bei einem Täter, der sich seiner Festnahme durch die Polizei entziehen will, in einer deutlich unsicheren, waghalsigen und fehlerhaften Fahrweise ein Beweisanzeichen für eine rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit zu sehen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 2000 – 4 StR 171/00, NStZ-RR 2001, 173; Beschluss vom 29. November 1994 – 4 StR 651/94, DAR 1995, 166; König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 316 Rn. 111 f. mwN).
b) § 315c Abs. 1 StGB setzt voraus, dass einer fremden Sache von bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht hat. Es sind daher stets zwei Prüfschritte erforderlich, zu denen im Strafurteil entsprechende Feststellungen zu treffen sind: Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert handelt, was etwa bei älteren oder bereits vorbeschädigten Fahrzeugen fraglich sein kann. Handelt es sich um eine Sache von bedeutendem Wert, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der maßgebliche Gefährdungsschaden. Der Wert der Sache ist hierbei nach dem Verkehrswert und die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289; Ernemann in: SSW-StGB, 3. Aufl., § 315c Rn. 25 mwN).
c) Der neue Tatrichter wird sich – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – auch mit der Frage zu befassen haben, ob der Angeklagte nach § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist.
Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte „seit zwei Jahren regelmäßig Crystal“, stand bei Tatbegehung unter dem Einfluss von berauschenden Mitteln (Amphetaminen, Cannabinoiden und Alkohol) und beging die ausgeurteilte Betäubungsmittelstraftat, „um den eigenen Drogenkonsum zu finanzieren“. Er strebt eine Therapie an und will in Zukunft ohne Drogen leben. Das Landgericht hat sich deshalb veranlasst gesehen, bereits im Urteil seine Zustimmung gemäß § 35 BtMG zu erklären.
Dies legt nahe, dass die Tat auf einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von berauschenden Mitteln zurückzuführen ist und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 64 StGB vorliegen. Bei der Prüfung wird auch zu beachten sein, dass die Unterbringung nach § 64 StGB einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG vorgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 3 StR 193/13; Beschluss vom 19. Juni 2012 – 3 StR 201/12, NStZ-RR 2012, 314 [Ls]).
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 3 Satz 2 StPO). Der Angeklagte hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2016 – 3 StR 554/15, insofern nicht abgedruckt in NStZ-RR 2016, 209).
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