Ist eine Frostaufbruchstelle auf dem Gehweg deutlich erkennbar, so haftet der Straßenbaulastträger bei einem Sturz nicht deshalb auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld, weil es an einer Kennzeichnung oder Sperrung des Gehwegs fehlt. Mit dieser Begründung wies das Thüringer OLG eine Beschwerde der Antragstellerin zurück, deren Antrag auf Prozesskostenhilfe vom Landgericht zurückgewiesen wurde. Hier handelte es sich um eine Fußgängerzone mit Geschäften und entsprechenden Schaufenstern sowie Werbetafeln. Diese Ablenkung dürfe jedoch nicht dazu führen, dass Fußgänger nicht ausreichend auf den Gehweg achten. Ansonsten liege ein Mitverschulden vor, dass einen Amtshaftungsanspruch ausschließt (Beschluss vom 29.04.2015, Az. 4 W 184/15).

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragstellerin kein Anspruch auf Schmerzensgeld aus dem behaupteten Unfallereignis vom 12.06.2013 nach § 839 BGB i.vV.m. Art. 34 GG zusteht.

Die Antragsgegnerin ist als Trägerin der Straßenbaulast (§§ 9 Abs. 1, 43 Abs. 1 S. 3 Thüringer Straßengesetz) für den Zustand des streitgegenständlichen innerstädtischen Gehwegs verantwortlich im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, § 823 Abs. 1 und 2 BGB, die in Thüringen hoheitlich ausgestaltet ist (§§ 10 Abs. 1, 43 Abs. 1 Thüringer Straßengesetz) und deren Verletzung Amtshaftungsansprüche gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG auslöst.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 24.06.2009, Az.: 4 U 67/09; Beschluss vom 08. Februar 2011 – 4 U 1040/10 – ; Beschluss vom 15.10.2009 Az.: 4 U 553/09, ) hat der Straßenverkehrssicherungspflichtiger auch bei einem Gehweg die Verkehrsteilnehmer vor den von diesem ausgehenden und bei seiner zweckgerichteten Benutzung drohenden Gefahren zu schützen und dafür Sorge zu tragen, dass der Gehweg sich in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand befindet. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Gehweg schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein muss. Eine vollständige Gefahrlosigkeit der Straße und ihrer Benutzung kann mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und vom Verkehrsteilnehmer nicht erwartet werden. Grundsätzlich muss der Straßenbenutzer sich vielmehr den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen, Gefahren ausräumen und / oder vor ihnen warnen, die für den die erforderliche Eigensorgfalt walten lassenden Benutzer nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag. Ob danach eine Straße “in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand” ist, entscheidet sich im einzelnen nach der allgemeinen Verkehrsauffassung, wobei Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seine Bedeutung zu berücksichtigen sind.

Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Antragsgegnerin nicht darin, dass sich eine Frostaufbruchstelle in dem Gehweg befand.

Nach den von der Antragstellerin zur Akte gereichten Lichtbildern war die als Sturzursache behauptete Schadstelle des Gehweg für den Fußgängerverkehr erkennbar. Die lokal auf einige Gehwegplatten begrenzte Schadstelle hebt sich deutlich von den umgebenden Platten ab. Sie ist von dem sich in Schrittgeschwindigkeit passierenden Fußgänger bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt zu beherrschen. Einer besonderen Kennzeichnung und Sperrung des Gehwegs bedurfte es seitens des Träger der Straßenbaulast nicht. Der Beschwerde ist einzuräumen, dass durch die üblicherweise in Fußgängerzonen sich befindenden Ladenlokale eine Ablenkung des Fußgängerverkehrs wegen der vorhandenen Schaufenster naheliegend ist. Dieser Umstand führt indes nicht dazu, dass der Straßenbenutzer ohne jegliche eigene Sorgfalt und entsprechende Aufmerksamkeit den Weg nutzen kann. Auch in diesen Fällen ist daher von dem Fußgängerverkehr zu verlangen, dass er erkennbare Hindernisse und Schadstellen beachtet.

Soweit die Schadstelle durch das Aufstellen von Werbetafeln Dritter verdeckt worden sein soll, ist darauf hinzuweisen, dass der Verkehrssicherungspflichtige nicht verpflichtet ist, Gefahren zu beseitigen, die erst durch das Eingreifen Dritter entstehen (Senatsbeschluss vom 08. Februar 2011 – 4 U 1040/10 –). Um einen solchen Fall würde es sich hier handeln, wenn die Schadstelle durch Werbetafeln verdeckt worden wäre. Davon kann allerdings nicht ausgegangen werden, da in diesem Fall die Antragstellerin gegen die Werbetafel gelaufen wäre oder diese in ungewöhnlich kleinem Abstand hätte passieren müssen. Dies erscheint nicht naheliegend.

Es kann daher dahinstehen, ob es tatsächlich zu dem von der Antragstellerin behaupteten Unfallereignis gekommen ist und ob sie ein haftungsausschließendes Mitverschulden trifft.