Will ainsworth, Wikimedia Commons

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Das Fahrzeug des Klägers, ein Ferrari Modena Spider, wurde von dem Zeugen auf A 44 gefahren. Dieser überfuhr bei ca. 200 km/h eine Bodenwelle, wobei das Fahrzeug stark beschädigt wurde. Der Kläger verlangt Schadensersatz vom beklagten Land. Bereits einige Monate zuvor kam es an dieser Bodenwelle zu einem tödlichen Verkehrsunfall, was dem Land bekannt war. Das LG Aachen bejaht eine schuldhafte Amtspflichtverletzung: Durch die Behörden wurde weder eine Geschwindigkeitsbegrenzung noch eine Warnung angebracht. Die Bodenwelle war laut Sachverständigem besonders stark ausgeprägt, wenn auch bei Fahrzeugen mit einer normalen Bodenfreiheit (15 – 17 cm) nicht unmittelbar gefährlich. Doch auch Haltern von Fahrzeugen gegenüber mit einer geringen Bodenfreiheit sei die Behörde verkehrssicherungspflichtig. Es kürzt allerdings die klägerischen Ansprüche wegen Überschreitens der Richtgeschwindigkeit um 50 % (Urteil vom 01.10.2015, Az. 12 O 87/15).

Dem Kläger steht aus §§ 839 Abs. 1 Satz 1, 249 ff. BGB, Art, 34 Satz 1 GG, §§ 9 a, 43 StrWG NW ein Schadenersatzanspruch in Höhe der hälftigen Selbstbeteiligung zu. Das c M hat nach Ansicht des Gerichts seine dem Kläger gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt. Dadurch hat der Kläger einen Schaden erlitten, für den aber auch der Kläger als Halter wegen Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen dieselbe Verantwortung trägt.

1. Zwar kann in Anbetracht des ausgedehnten Straßen- und Wegenetzes der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften die Gewährleistung einer gänzlich gefahrlosen Nutzung der Verkehrsflächen mit zumutbarem Aufwand nicht erreicht werden. Vom Straßenbaulastträger ist aber zu erwarten, dass er diejenigen Gefahren ausräumt und erforderlichenfalls vor ihnen warnt, die für den Verkehrsteilnehmer, der die nötige Sorgfalt beachtet, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einrichten kann (BGH, Urteil vom 21.06.1979 – III ZR 58/78VersR 1979, 1055; OLG Köln, Urteil vom 30.04.2009 – 7 U 189/08 – juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.1994 – 18 U 118/94NJW-RR 1995, 1114). Bei der Bemessung des Umfanges der Verkehrssicherungspflicht ist insbesondere auch Art, Bedeutung und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 21.06.1979 – III ZR 58/78VersR 1979, 1055; OLG Jena, Urteil vom 24.06.2009 – 4 U 67/09MDR 2009, 1391; OLG Brandenburg, Urteil vom 03.06.2008 – 2 U 18/05NJW-RR 2008, 1614). Jedenfalls bei wichtigen Straßen muss ein Verkehrsteilnehmer auch unter Berücksichtigung der angespannten Finanzlage der Körperschaften und des Umstandes, dass ebene Fahrbahnen nicht überall zu erwarten sind, darauf vertrauen dürfen, dass jedenfalls keine ganz erheblichen Niveau-unterschiede vorhanden sind (OLG Celle, Urteil vom 08.02.2007 – 8 U 199/06, NJW-RR 2007, 972; OLG Jena DAR 2003, 69; OLG Dresden DAR 1999, 122; OLG Naumburg NJ 1997, 432; OLG Nürnberg DAR 1996, 59; LG Dresden DAR 2000, 480; LG Halle DAR 1999, 28: 12 cm tiefes Schlagloch; LG Chemnitz DAR 1998, 144; LG Augsburg ZfS 1991, 404). Welche Niveauunterschiede hiernach auch ohne Warnung noch hinzunehmen sind, hängt nicht allein von der absoluten Höhendifferenz ab, sondern auch von der Art der Vertiefung und den besonderen Umständen der einzelnen Örtlichkeit.

2. Von einer Amtspflichtverletzung des beklagten Landes ist aus Rechtsgründen auszugehen.

Die zum Unfallzeitpunkt bestehende Bodenwelle stellte seinerzeit eine erhebliche Fahrbahnunebenheit dar, nach der das c M als verkehrssicherungspflichtige Körperschaft zur Beseitigung oder zur Warnung verpflichtet war.

Wie oben dargestellt, hat die verkehrssicherungspflichtige staatliche Stelle beträchtliche Unebenheiten auf Fahrbahnen zu beseitigen oder vor ihnen zu warnen (vgl. auch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. § 45 StVO Rd. 53 “Unebenheiten der Fahrbahn” m. w. Nachw.). Bodenwellen gefährden Verkehrsteilnehmer ganz allgemein, vor allem aber wenn ein “Sprungschanzeneffekt” einhergeht, so dass sie insbesondere bei Kenntnis der Behörden eine strenge behördliche Pflicht begründen (OLG Schleswig, VersR 1980, 1150). Dem entspricht es, dass die obergerichtliche Rechtsprechung bei maßgeblichen Bodenwellen eine Warnung der Verkehrsteilnehmer konkret durch Geschwindigkeitsbegrenzung und Warnung verlangt, insbesondere wenn diese für bestimmte Verkehrsteilnehmer eine “Falle” darstellen und die Behörde die Gefährlichkeit der Bodenwelle erkennen kann (vgl. OLG Hamm, NZV 1996, 494 m. w. Nachw.).

Die Bodenwelle auf der A 44 war auch beträchtlich und stellte insbesondere für bestimmte zugelassene Fahrzeuge eine erhebliche Gefahr dar. Der erfahrene Sachverständige Dr. Q hat nicht nur festgestellt, dass die Bodenwelle stark ausgeprägt war. Er hat insbesondere dargelegt, als langjährig tätiger Unfall-rekonstruktionssachverständiger auf Autobahnen eine Bodenwelle des vorliegenden Ausmaßes nicht gesehen zu haben. Gerade Fahrzeuge, die eine hohe Geschwindigkeit und eine geringe Bodenfreiheit aufweisen, seien gefährdet. Weiter beachtlich sei, dass die Bodenwelle rechts kleiner als links ausgeprägt gewesen sei, so dass bei einem zu erwartenden linksseitigen Kontakt mit der Fahrzeug eine gefährliche Drehbewegung des betreffenden Unfallfahrzeuges drohe.

Demgegenüber befreit die Unfallhäufigkeit an der Unfallstelle das c M nicht vor einer Warnung der Verkehrsteilnehmer. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei Fahrzeugen mit einer regulären Bodenfreiheit von 15 bis 17 cm auch bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h keine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben droht. Bei Fahrzeugen, die eine solche Bodenfreiheit aufweisen, sei zu erwarten gewesen, dass eine ausreichende Abfederung der Bodenwelle durch die Fahrzeugfederung erfolgt. Dies entspricht im übrigen den Schilderungen des Zeugen F, der die Bodenwelle mit einem Volvo und einer Geschwindigkeit von über 200 km/h durchfuhr und der Aussage C1 von seinem Ortstermin im Juni 2013. Allerdings sei die Bodenwelle – so der Sachverständige – auch für solche Fahrzeuge keineswegs völlig ungefährlich gewesen. Insbesondere konnte der Sachverständige auch nicht ausschließen, dass sich ein Verkehrsteilnehmer mit einem Fahrzeug, dass eine große Bodenfreiheit aufweist, erschreckt oder dass bei Fahrspurwechsel, Bremsungen oder Beschleunigungen Gefahren entstehen.

Letztlich ist die Straßenverkehrsbehörde nach Auffassung des Gerichts auch Verkehrsteilnehmern von Fahrzeugen mit geringer Bodenfreiheit und hohe Geschwindigkeit zur Warnung verpflichtet. In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass die Verkehrssicherungspflicht für alle zugelassenen Fahrzeuge gilt, die auf der betroffenen Straße fahren dürfen und dort zu erwarten sind (OLG München, Urt. vom 24.5.2012, 1 U 549/12, zit. nach juris, insbesondere Rd. 38). Bestimmte zugelassene Fahrzeuge aus den behördlichen Überlegungen zur Verkehrs-sicherungspflicht völlig auszunehmen, würde bedeutet, die Insassen solcher Fahrzeuge schutzlos zu lassen, ohne dass anderweitige Schutzmechanismen erkennbar wären. Die Bodenwelle war nach dem Eindruck des Zeugen F, aber auch der Sachverständigen auch bei Tageslicht nicht erkennbar. Dass dem Zeugen die Bodenwelle, die sich erst bei erheblichen Geschwindigkeiten auf das Fahrzeug übertrug, dem Zeugen T bekannt war, ist in der Beweisaufnahme nicht hervor getreten. Fahrzeuge mit geringer Bodenfreiheit sind auch keineswegs selten. Zwar handelt es sich bei dem Unfallfahrzeug um ein exponiertes Fahrzeug. Eine diesem Fahrzeug vergleichbare geringe Bodenfreiheit können Verkehrsteilnehmer aber auch die “Tieferlegen” vieler Fahrzeuge im Rahmen ihrer Verkehrszulassung erreichen, womit die Behörden zu rechnen haben.

Für eine behördliche Warnpflicht, etwa durch Zeichen § 40 Abs. 6 StVO, Nr. 112 (“Unebene Fahrbahn”) kann auch die Einschätzung der Polizei nach dem tödlich verlaufenden Unfall im Juni 2013 angeführt werden. Die Polizei kannte offenbar die Hintergründe dieses Unfalles und vor allem die konkrete Geschwindigkeit, während der Zeuge C1 als Verantwortlicher des beklagten Landes ohne Kenntnis der Unfall-geschwindigkeit versucht hat, sich in einem kurzen Ortstermin mit Beobachtungen und Befahren mittels eines Motorrades ein Bild zu machen. Das von ihm benutzte Motorrad ist aus technischen Gründen wenig geeignet, die Gefährlichkeit der Bodenwelle abzubilden, wie sich aus den Feststellungen des Sachverständigen ergibt. Ein Motorrad ist ein einspurigen Fahrzeug, während die besondere Gefährlichkeit der Bodenwelle mit unterschiedlicher Höhe sich gerade bei zweispurigen Fahrzeugen auswirkt, was auch der streitgegenständliche Unfall gezeigt hat.

Dass aber die Bodenwelle gerade für Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit und geringer Bodenfreiheit eine unmittelbare Gefahr darstellte, hat der erfahrene Sachverständige Dr. Q nachvollziehbar dargelegt. Auch die eigene Untersuchung der Unfallstelle durch das Fachzentrum Vermessung in Auftrag des beklagten Landes, die nach der Aussage C1 im September 2013 vorlag, ist nicht geeignet, gegen eine Warnung angeführt zu werden. Der Gerichtssachverständige hat ausdrücklich ausgeführt, dass die polizeiliche Untersuchung, Bl. 38 ff. der Ermittlungsakte realistischer als die Messung des beklagten Landes die Gefährdung ausweist, weil die Polizei die Vermessung der Bodenwelle nicht an den Fahrbahnrändern, sondern dort vorgenommen hat, wo sich die Räder von Fahrzeugen bei der Befahrung der Unfallstelle befanden. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass die polizeiliche Untersuchung erst nach dem streitgegenständlichen Unfall vorlag. Die Feststellungen des Sachverständigen Dr. Q zeigen aber, dass die Messungen, die dem Zeugen C1 vorlagen, wenig aussagekräftig waren und daher auch fachlich nicht geeignet war, die Entscheidung gegen eine Warnung vor der Bodenwelle zu begründen. Weitere Gründe gegen eine Warnung der Verkehrsteilnehmer hat das c M nicht vortragen können. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass der Aufwand für ein solches Schild äußerst gering gewesen wären und daher hinter der Sicherung von Menschen und erheblichen Werten zurück bleibt, auch wenn es nur einzelne Verkehrsteilnehmer betroffen hätte. Ein ausufernder Schilderwald ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung als Rechtfertigungsgrund für unterlassene Warnungen von Verkehrsteilnehmern nicht anerkannt (vgl. OLG München, Urt. vom 4.4.2013, 1 U 4266/12, zit. nach juris.). Dem schließt sich das Gericht an.

3. Die klägerischen Ansprüche sind um 50 % gemindert.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist weiter anerkannt, dass eine deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen regelmäßig zu einer erhöhten Betriebsgefahr führt und daher auch bei der Verschuldenshaftung der Gegenseite in Ansatz zu bringen ist (vgl. Wenker, jurisPR-VerkehrsR 24/2009 m. w. Nachw.). Nur wenn die erhöhte Geschwindigkeit keinen Einfluss auf den Unfall hatte, tritt sie hinter einem groben Verschulden des Haftenden völlig zurück. Selbst eine Geschwindigkeit von rund 200 km/h führt allerdings nicht zu einer Alleinhaftung desjenigen, der die Richtgeschwindigkeit überschreitet (OLG Oldenburg, Urt. vom 21.3.2012, 3 U 69/11, zit. nach jurist m. w. Nachw.).

Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Gerichts auch bei einer Amtspflichtverletzung. So ist etwa anerkannt, dass Fahrzeughalter bei einem Zusammenstoß mit hoheitlichen Sonderrechtsfahrzeugen, die etwa in Polizei- oder Feuerwehreinsätzen der Amtshaftung unterliegen, sich ihre Betriebsgefahr anrechnen lassen müssen (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten, 14. Auflage, A. I. 9, m. w. Nachw.).

Nach Würdigung aller Umstände hält das Gericht danach eine Schadenteilung für angemessen. Die Amtspflichtverletzung ist insbesondere nach den Hinweisen aufgrund des tödlich verlaufenden Audifahrers und des Zeugen F erheblich, gleichermaßen wie die klägerischen Geschwindigkeit von rund 200 km/h und die geringe Bodenfreiheit als Fahrzeugbesonderheit. Von der beklagtenseits pauschal vorgetragene noch höhere Geschwindigkeit gibt es keinerlei Anhaltspunkt. Der auch insoweit erfahrene Sachverständige hält die von Zeugen T angegebene Geschwindigkeit von 200 km/h für realistisch.