Quelle: pixabay.com

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Zu dieser Entscheidung wurde im Burhoff online Blog bereits etwas geschrieben, aber man kann ja nicht immer der erste sein. Zur Sache: Das Kammergericht hat entschieden, dass das Parkverbot vor einem abgesenkten Bordstein (§ 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO) nicht auf eine Fahrzeuglänge beschränkt ist. Es komme auf die bauliche Gestaltung im Einzelfall an. Eine Absenkung könne immer dann angenommen werden, wenn diese sich an regulär hohe Bordsteine anschließt. Ein allgemein (gleich) niedriger Bordstein sei also keine “Absenkung”. In diesem Fall war der Bordstein ca. 20 Meter lang abgesenkt. Das KG hat die Verurteilung des Betroffenen durch das AG bestätigt (Beschluss vom 22.06.2015, Az. 3 Ws (B) 291/15)

a) Das Amtsgericht hat den Rechtsbegriff der Bordsteinabsenkung nicht verkannt. Zutreffend ist es davon ausgegangen, dass auch ein Bordstein, der auf einer eine Fahrzeuglänge überschreitenden Strecke abgesenkt ist, ein Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO begründen kann (so auch König in Hentschel/König/Dauer, StVR 43. Aufl., § 12 StVG Rn. 49; Huppertz, Halten – Parken – Abschleppen, 3. Aufl., Rn. 1510; ders. in DAR 1997, 504) und dass maßgeblich die bauliche Gestaltung im Einzelfall ist (vgl. Huppertz, DAR 1997, 504).

aa) Die vom OLG Köln angenommene Begrenzung auf eine Fahrzeuglänge ist dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen. Eine Bordsteinabsenkung setzt nach dem Wortsinn lediglich voraus, dass es in unmittelbarer Nähe eine „regulär“ höhere Bordsteinkante gibt, das heißt: Im Anschluss an die Absenkung muss der Bordstein wieder höher werden (vgl. Hentschel, NJW 1992, 2062; Berr/Hauser/Schäpe, aaO, Rn. 246c). Denn „abgesenkt“ ist etwas anderes als „niedrig“ und auch als „unterbrochen“ (vgl. Bouska, DAR 1998, 385 [zu § 10 Satz 1 StVO]). Eine Längenbegrenzung ergibt sich aus dem Begriff der Absenkung jedenfalls nicht.

bb) Die vom OLG Köln angenommene Beschränkung ergibt sich auch nicht aus dem Regelungszweck des § 12 StVO. Nach der amtlichen Erläuterung (VkBl. 1992, 186) begründet § 12 Abs. 3 Nr. 5 (vormals Nr. 9) StVO ein Parkverbot vor allen Bordsteinabsenkungen, also nicht nur vor Fußgängerfurten und -überwegen und sonstigen Überquerungsstellen oder Einmündungen an Gehwegen (vgl. Huppertz, DAR 1997, 502). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Vorschrift vorrangig der Erleichterung der Auf- und Abfahrt von Rollstuhlfahrern dient (amtliche Begründung, VkBl. 1992, 186). Es ist nicht einzusehen, warum diese Erleichterung auf einen Bereich von nur wenigen Metern beschränkt sein sollte. Denn gerade wegen der eingeschränkten Beweglichkeit von Rollstuhlfahrern spricht nichts dafür, den zuständigen Behörden solche baulichen Mobilitätsvereinfachungen zu versagen, die den Rollstuhlfahrern das Überqueren einer Straße auch auf „breiter Front“ ermöglichen.

cc) Mit großer Deutlichkeit gegen die vom OLG Köln angenommene Restriktion sprechen auch systematische Erwägungen. § 10 Satz 1 StVO verwendet denselben Terminus im Zusammenhang mit der Vorfahrtsregelung. Danach haben die über einen abgesenkten Bordstein auf die Fahrbahn Fahrenden eine besondere Sorgfaltspflicht, also keine Vorfahrt. Derartige Bordsteinkanten grenzen, gerade in jüngerer Zeit zunehmend, befahrbare Wohnstraßen oder andere Wege, deren Verkehr beruhigt werden soll, baulich von anderen Straßen ab. Selten sind solche Bordsteinabsenkungen kürzer als eine Autolänge. Wollte man die vom OLG Köln für § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO erkannte Längenbegrenzung auf den identischen Terminus in § 10 Satz 1 StVO übertragen, so ergäbe sich das nicht hinnehmbare Ergebnis, dass bei Bordsteinabsenkungen mit einer Länge bis (etwa) fünf Meter die Vorfahrts- und Sorgfaltsregel des § 10 Satz 1 StVO gälte, bei längeren Absenkungen aber die allgemeinen Regeln nach § 8 StVO. Dass wiederum der Verordnungsgeber in § 10 StVO unter einem abgesenkten Bordstein etwas anderes verstanden haben wollte als in § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO, liegt gerade im auf unbedingte Klarheit angelegten Bereich des Straßenverkehrsrechts (vgl. BGHSt 25, 293) fern (so i. E. auch Berr/Hauser/Schäpe, aaO, Rn. 246c).

dd) Unter Berücksichtigung dieser Auslegung ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Betroffene sein Fahrzeug vor einem abgesenkten Bordstein im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 5 OWiG abgeparkt hat. Zwar hat das Amtsgericht hier nicht entsprechend § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder von der Örtlichkeit verwiesen. Den Urteilsfeststellungen ist jedoch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Gehweg als auf einem begrenzten Bereich abgeflachter Bordstein vor der Fahrbahn endete. Die Erstreckung der Bordsteinabsenkung auf vier Fahrzeuglängen steht dem, wie dargelegt, nicht entgegen.

b) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) ist nicht den Anforderungen der §§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG iVm § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt. Unschädlich ist dabei, dass die Rechtsbeschwerde die Beanstandung, das Amtsgericht habe auf die mögliche Verurteilung wegen eines tateinheitlich begangenen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 StVO nicht hingewiesen, nicht als Verfahrensrüge bezeichnet. Die Rechtsmittelschrift versäumt es aber darzulegen, dass ein entsprechender Hinweis entsprechend § 265 StPO nicht bereits vor der Hauptverhandlung und namentlich, was zulässig ist (vgl. BGH StV 2015, 206; Thüringer OLG NZV 2010, 311; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl., § 265 Rn. 32), durch die Ladungsverfügung gegeben worden ist. Da ein derartiger Hinweis ausreichend gewesen wäre, hätte sich die Verfahrensrüge dazu konkret erklären müssen (vgl. OLG Koblenz, Beschlüsse vom 2. Mai 2012 – 2 SsBs 114/11 – [juris] und [dort zitiert] vom 21. August 2000 – 2 Ss 293/00 -).

c) Die durch die Ausführung einer Sachrüge (hier: das Amtsgericht habe den Rechtsbegriff des abgeflachten Bordsteins verkannt) veranlasste sachlich-rechtliche Überprüfung des gesamten Urteils unter Einschluss des Rechtsfolgenausspruchs (vgl. BGHSt 1, 44; Meyer-Goßner/Schmidt, aaO, § 344 Rn. 19; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl., Rn. 537) deckt keine Rechtsfehler auf, die sich zum Nachteil des Rechtsmittelführers auswirken.

3. Auch wenn die hier vertretene Auffassung von der Rechtsprechung eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, bedurfte es einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 GVG nicht. Denn die Ansicht, eine Bordsteinabsenkung im Rechtssinne sei nur bei einer Länge bis etwa fünf Meter gegeben, hat das OLG Köln in nicht tragender Weise zum Ausdruck gebracht. Das OLG Köln hat das Urteil des Amtsgerichts wegen eines Darstellungsmangels aufgehoben, weil nämlich zur Länge der Bordsteinabsenkung keine Urteilsfeststellungen getroffen worden waren. Aus dem Erfordernis, entsprechende Feststellungen zu treffen, lässt sich zwar ableiten, dass es aus Sicht des OLG Köln auf die konkrete Gestaltung des Bordsteins entscheidungserheblich ankam. Die darüber hinaus angenommene Begrenzung auf etwa eine Fahrzeuglänge erscheint aber lediglich als in „freier Autorität“ (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 121 GVG Rn. 11 mwN und Hinweis auf BVerfGE 3, 261) gegebener Hinweis an das Amtsgericht und mithin als obiter dictum, das nicht zur Vorlegung verpflichtet (vgl. BGHSt 3, 234).