Quelle: pixabay.com

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Der Angeklagte hatte aus Verärgerung über ein vorangegangenes Wendemanöver des ihm nunmehr nachfolgenden Zeugen sein Fahrzeug so stark abgebremst, dass es zu einem Auffahrunfall kam. Das AG Essen hat ihn wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Nötigung verurteilt. Das OLG Hamm hat auf seine Revision das Urteil mit Beschluss vom 04.07.13 (Az. 5 RVs 41/13) wegen mehrerer Fehler aufgehoben und ist dabei auf die verschiedenen Voraussetzungen für einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (in diesem Fall § 315b I Nr. 2 StGB) eingegangen.

Zunächst stellt das OLG fest, dass in dem unvorhersehbaren Abbremsen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch Hindernisbereiten liegen kann. Die weiteren Tatbestandsmerkmale seien durch die Feststellungen des Amtsgerichts jedoch nicht belegt:

Aber auch die konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist nicht belegt. Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus muss hierbei der fremden Sache von bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht haben (…). Vor diesem Hintergrund sind stets zwei Prüfungsschritte erforderlich, zu denen im Strafurteil entsprechende Feststellungen zu treffen sind. Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert handelt. Dies kann z.B. bei älteren oder vorgeschädigten Fahrzeugen fraglich sein (…). Handelt es sich um eine Sache von bedeutendem Wert, ist in einem zweiten Prüfungsschrift zu fragen, ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat (…), wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der maßgebliche Gefährdungsschaden. Der Wert der Sache ist nach dem Verkehrswert (…), die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung (…) zu bestimmen (…). Der Grenzwert für den Sachwert und die Schadenshöhe ist einheitlich zu bestimmen und liegt bei mindestens 750,- €.

Das Amtsgericht ist von einem Schaden in Höhe von 1.200 € auf Grund einer Schätzung der Polizei ausgegangen. Die Schadenshöhe wurde jedoch nicht in der Hauptverhandlung erörtert, so dass ein Verstoß gegen § 261 StPO vorlag, denn das Amtsgericht hat seine Überzeugung insoweit nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft. Auch die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand waren nicht ausreichend:

Soweit der Angeklagte das von ihm gesteuerte Fahrzeug nach den Feststellungen des angegriffenen Urteils aus Verärgerung über das vorangegangene Wendemanöver des ihm nunmehr nachfolgenden Zeugen M abrupt abbremste mit der Folge, dass es zu dem Auffahrunfall kam, reicht dies zur Annahme eines mindestens bedingten Schädigungsvorsatzes, wie er nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, erforderlich ist, nicht aus (…). Denn grundsätzlich liegt die Annahme näher, dass der betreffende Kraftfahrzeugführer lediglich grob fahrlässig und nicht bedingt vorsätzlich gehandelt hat, weil die Annahme eines bedingten Vorsatzes voraussetzt, dass auch die Beschädigung des eigenen Fahrzeugs billigend in Kauf genommen wird (…). Dies liegt grundsätzlich eher fern und kommt nur bei dem Vorliegen besonderer, weiterer Umstände in Betracht. Es kann aber z.B. bei älteren Fahrzeugen oder dann der Fall sein, wenn dem Fahrzeugführer bekannt ist, dass sein Fahrzeug ohnehin einen Altschaden am Heck aufweist, so dass die Überlegung der Beschädigung des eigenen Fahrzeugs in den Hintergrund tritt (…). Demgegenüber ist allein aus dem rechtskräftig festgestellten objektiven Unfallhergang nach Ansicht des Senats nicht auf das Vorliegen eines mindestens bedingten Schädigungsvorsatzes des Angeklagten zu schließen (…), auch wenn das Bremsmanöver des Angeklagten nach den Bekundungen des Zeugen I das Auffahren des Zeugen M „provoziert“ habe und „so krass“ gewesen sei, dass er – der Zeuge I – sich spontan als Zeuge zur Verfügung gestellt habe.