Der Beklagte befuhr bei Dunkelheit mit seinem unbeleuchteten Fahrrad eine Straße. Der Kläger beabsichtigte, vom Bürgersteig aus zwischen zwei geparkten Fahrzeugen hindurch mit seinem Fahrrad auf die Straße zu fahren. Als er den plötzlich auftauchtenden Beklagten wahrnahm, erschrak er und stürzte, ohne dass es zu einer Berührung der Fahrräder gekommen wäre. Das OLG Hamburg hat in seinem Beschluss auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung des Beklagten hingewiesen. Ähnlich wie bei Ansprüchen aus § 7 Abs. 1 StVG müsse es auch vorliegend für eine Haftung des Beklagten nicht zu einer Berührung der Fahrräder kommen, es genüge, dass sich der Verkehrsverstoß – hier gegen § 17 Abs. 1 StVO – unfallursächlich ausgewirkt und das Schadensgeschehen insgesamt mitgeprägt habe. Den Kläger treffe beim Einfahren in den fließenden Verkehr die größtmögliche Sorgfaltspflicht, so dass der Verstoß des Beklagten nur zu einer (Mit-)Haftung von 30 % führe (OLG Hamburg, Beschluss vom 26.07.2017 – 14 U 208/16).

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.09.2016, Az. 323 O 20/16, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Es besteht Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe:

Die Berufung des Beklagten ist offensichtlich unbegründet.

1. Die vom Landgericht ausgeurteilte Haftungsquote von 30% zu seinen Lasten ist nicht zu beanstanden. Der Sorgfaltsverstoß des Beklagten liegt darin begründet, dass er am 26.06.2015 entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 StVO bei Dunkelheit mit seinem unbeleuchteten Fahrrad die K. G. Straße in Hamburg befuhr. Die Beleuchtungspflicht dient nicht nur dem eigenen Schutz des Radfahrers, sondern ebenfalls demjenigen anderer Verkehrsteilnehmer und der Vorbeugung von Kollisionen. Auf die Beachtung der Beleuchtungspflicht darf der Verkehr bei Dunkelheit vertrauen. Kommt es wegen eines Verstoßes gegen die Beleuchtungspflicht zu einem Verkehrsunfall, so entfällt die Haftung nicht schon deshalb, weil es an einer Berührung der beteiligten Personen oder Fahrzeuge fehlt oder der Schaden auf einer Fehlreaktion des Unfallgegners beruht, die sich bei objektiver Betrachtung als nicht erforderlich erweist (vgl. BGH-Urteil vom 26.04.2005 – Az.: VI ZR 168/04, NJW 2005, 2081 f. m.w.N. zum Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb“ in § 7 Abs. 1 StVG). Der Pflichtenverstoß muss sich nur unfallursächlich ausgewirkt und das Schadensgeschehen insgesamt mitgeprägt haben.

Das ist vorliegend der Fall und ergibt sich bereits aus der eigenen Sachverhaltsschilderung des Beklagten selbst am Unfallort („Er sah mich, erschrak und stürzte“) sowie im Rahmen seiner erstinstanzlichen Anhörung (vgl. Sitzungsprotokoll vom 23.08.2016, Seite 6 oben). Der Sturz des Klägers ereignete sich in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Auftauchen des nicht beleuchteten Beklagten aus der Dunkelheit. Nicht entscheidungserheblich sind dabei die zwischen den Parteien streitigen Umstände, in welcher konkreten Entfernung sich der Beklagte zum Zeitpunkt des Sturzes befand, mit welcher Geschwindigkeit er sich näherte und wo er schließlich anhielt. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte mittig die Straße befuhr, wie der Kläger behauptet hat, und ob es bei dessen Fortsetzung der Fahrt überhaupt zu einer Kollision der beiden Fahrräder gekommen wäre. Denn auf der Hand liegt trotz intakter Straßenbeleuchtung, dass der sich nähernde Beklagte bei ordnungsgemäßer Beleuchtung seines Fahrrades sehr viel früher von dem Kläger wahrgenommen worden wäre und dieser sich nicht infolge seines plötzlichen Auftauchens aus der Dunkelheit erschreckt hätte, wie es beide Parteien in Übereinstimmung mit dem Zeugen W. geschildert haben.

2. Bei der gemäß § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Haftungsabwägung hat das Landgericht zu Recht den Mitverantwortungsanteil des Klägers, der beim Einfahren in den fließenden Verkehr gemäß § 10 Satz 1 StVO die größtmögliche Sorgfaltspflicht einzuhalten hatte, mit 70% sehr viel schwerer bewertet als das Fehlverhalten des Beklagten. Ein vollständiges Zurücktreten des von dem Beklagten ausgehenden Verursachungsbeitrages hält der Senat im Hinblick auf dessen Gefährlichkeit und das unstreitige Verschulden in Übereinstimmung mit der ersten Instanz allerdings nicht für gerechtfertigt.

3. Die pauschalen Einwände der Berufung zur Anspruchshöhe sind unsubstantiiert. Das Landgericht hat im Einzelnen dargelegt, welche Kriterien es bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt hat, insbesondere die von dem Kläger infolge seines Sturzes erlittenen Verletzungen sowie die daraus resultierenden Beeinträchtigungen und den Grad des Verschuldens. Vom Vorliegen eines Dauerschadens ist es nicht ausgegangen. Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände und der zitierten Vergleichsentscheidungen erscheint das ausgeurteilte Schmerzensgeld in Höhe von € 2.400,00 keinesfalls überhöht.

Soweit die Berufung auf die in dem Krankenhausbericht der Helios ENDO-Klinik vom 09.07.2015 (Anl. K 2) genannten Vorerkrankungen bzw. Nebendiagnosen verweist, führen diese nicht zu einer anderen Bewertung. Es bestehen angesichts der vorgelegten medizinischen Berichte keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Operationen vom 29.06.2015 und 10.07.2015 sowie die anschließenden Therapie- und Rehabilitationsmaßnahmen (Anl. K 6) nicht durch den streitgegenständlichen Sturz des Klägers indiziert waren, auch wenn dieser bereits im Jahre 1998 eine primäre Hüftgelenksendoprothese rechts erhalten hatte und vor dem streitgegenständlichen Vorfall Pfannenwechsel stattgefunden haben.

4. Ohne Erfolg wendet sich schließlich die Berufung gegen die Feststellungsaussprüche des angefochtenen Urteils. Im Zeitpunkt der Klageerhebung lag der Sturz des Klägers erst gut ein halbes Jahr zurück. Dass die unfallbedingte Heilbehandlung zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig abgeschlossen war und die materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche aus der Sicht des Klägers noch nicht zu beziffern waren, erscheint angesichts der Schwere der erlittenen Verletzungen nachvollziehbar, zumal ausweislich des eingereichten Behandlungsplans (Anl. K 6) bis zu diesem Zeitpunkt noch ein intensives Krankengymnastikprogramm zu absolvieren war. Auch war die Möglichkeit späterer unfallbedingter Komplikationen gerade infolge der Revision des Hüftgelenkes nicht auszuschließen.

Insgesamt wird dem Beklagten angeraten, eine Berufungsrücknahme in Erwägung zu ziehen.