Bei dem Betroffenen wurden mittels ProViDa 2000 binnen weniger Minuten zwei Abstandsverstöße festgestellt. Die Messstrecke betrug 96 m bzw. 120 m. Das OLG Koblenz ließ die Verurteilung unbeanstandet: Für einen Abstandsverstoß genüge es, zu irgendeinem Zeitpunkt der Fahrt den vorgeschrieben Abstand zu unterschreiten, wenn auch nur um wenige Zentimeter. Das in der Rechtsprechung aufgestellte Erfordernis, eine Abstandsunterschreitung dürfe nicht nur ganz vorübergehend stattgefunden bzw. der Verstoß müsse über eine Strecke von mindestens 250 m vorgelegen haben, beruhe darauf, dass gerade auf Autobahnen ein Abbremsen des Vorausfahrenden oder ein plötzlicher Spurwechsel ausgeschlossen werden müsse. Dies konnte der Tatrichter jedoch vorliegend anhand des Videos ausschließen (OLG Koblenz, Beschluss vom 12.09.2016 – 2 OWi 4 SsBs 50/16)

Der Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 21. Juni 2016 wird auf Antrag des Betroffenen aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Trier vom 2. Mai 2016 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die verhängte Geldbuße auf 250,- Euro herabgesetzt wird.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last.

Gründe

I.

Mit Bußgeldbescheid vom 1. Juni 2015 hat die Zentrale Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums … gegen den Betroffenen wegen Unterschreitung des erforderlichen Mindestabstands zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in zwei tateinheitlichen Fällen ein Bußgeld von 290,- Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat (mit der Möglichkeit der Aufschiebung nach § 25 Abs. 2a StVG) festgesetzt.

Auf den hiergegen rechtzeitig eingelegten Einspruch hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Urteil gegen den in der Hauptverhandlung nicht anwesenden und auch nicht durch einen Verteidiger vertretenen Betroffenen wegen fahrlässiger Begehungsweise zweier tateinheitlicher Abstandsunterschreitungen dieselben Rechtsfolgen ausgesprochen. Das Urteil wurde dem Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, am 19. Mai 2016 zugestellt. Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene mit einem Pkw am 10. März 2015 um 08.29 Uhr die Bundesautobahn A1 in der Gemarkung …[Z] in Fahrtrichtung Köln auf einer Strecke von 96 Metern mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 112 km/h, wobei er auf das vorausfahrende Fahrzeug nur einen Sicherheitsabstand von 21,79 Metern (weniger als 4/10 des halben Tachowertes, Nr. 12.6.2 BKatV) einhielt; wenige Minuten später beschleunigte er sein Fahrzeug und fuhr um 08.33 Uhr über eine Strecke von 120,69 Metern bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 138 km/h mit einem Sicherheitsabstand von nur noch 19,18 Metern auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auf (weniger als 3/10 des halben Tachowertes, Nr. 12.7.3 BKatV).

Gegen das Urteil hat der Betroffene am 20. Mai 2016 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit am 21. Juni 2016 eingegangenen Schriftsatz näher begründet; er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit dem gleichfalls angegriffenen Beschluss vom 21. Juni 2016, zugestellt am 23. Juni 2016, hat das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen hat der Betroffene am 23. Juni 2016 auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss vom 21. Juni 2016 aufzuheben und unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde das Urteil vom 2. Mai 2016 im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben sowie in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Trier zurückzuverweisen.

II.

1.

Der Beschluss vom 21. Juni 2016 war auf Antrag nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG iVm. § 346 Abs. 2 StPO aufzuheben, weil das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde des Betroffenen rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen hat. Die Rechtsbeschwerde ist fristgerecht eingelegt sowie frist- und formgerecht begründet worden. Die mit der Rechtsbeschwerde angefochtene Entscheidung erging am 2.

Mai 2016 in Abwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers und wurde am 19. Mai 2016 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde lief damit gemäß § 79 Abs. 4 OWiG iVm. § 43 Abs. 2 StPO bis zum 27. Mai 2016, so dass die am 28. Mai 2016 beginnende Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG iVm. § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO erst am 28. Juni 2016 ablief. Ist das Urteil – wie vorliegend – schon vor der Rechtsbeschwerdeeinlegung zugestellt worden, so schließt sich die Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO an die des § 79 Abs. 4 OWiG an (vgl. für die Revision: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. § 345 Rn. 4 unter Verweis auf BGHSt 36, 241).

2.

In der Sache hat die Rechtsbeschwerde nur im Rechtsfolgenausspruch bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Erfolg.

Auf die vom Betroffenen hin erhobenen Verfahrensrügen ist eine Aufhebung des Urteils aus den zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in deren Stellungnahme vom 20. Juli 2016, auf die Bezug genommen wird, nicht veranlasst.

Die Urteilsfeststellungen tragen die zur Aburteilung gelangten Ordnungswidrigkeiten rechtsfehlerfrei. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme folgendes ausgeführt:

“Bei der Geschwindigkeits- und Abstandsmessung ProViDa 2000 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (OLG Koblenz, Beschluss vom 24.07.2001 – 1 Ss 203/01), so dass es genügt, wenn der Tatrichter im Urteil das angewendete Messverfahren und das nach Abzug der Messtoleranz ermittelte Messergebnis angibt. Die aus der Geschwindigkeitsberechnung folgende Abstandsmessung anhand einer Einzelbildauswertung erweist sich demgegenüber als nicht standardisiert (OLG Hamm, Beschluss vom 04.12.2008 – 3 Ss OWi 871/08), da die Abstände, anders als die Geschwindigkeit, nicht elektronisch gemessen, sondern errechnet werden. Die Auswertung und Berechnung müssen in den Urteilsgründen verständlich und widerspruchsfrei dargelegt werden, um eine Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu ermöglichen (OLG Hamm aaO.). Diesen Anforderungen genügen die tatrichterlichen Feststellungen. Danach ist aufgrund der Fahrtstrecken, in welchen die Abstandsunterschreitungen begangen wurden, nicht nur von einer kurzfristigen Unterschreitung des Sicherheitsabstandes zu schließen (Bl. 4 und 5 d. U.) und die der Abstandermittlung zugrundeliegende Berechnung ist in ausreichender Weise dargelegt.

Soweit der Beschwerdeführer unter Ziff. 4. der Beschwerdebegründung rügt, das Gericht habe bei der Ermittlung der Geschwindigkeiten nicht die im Rundschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 01.02.2003 (344/20 250, MinBl. 2003, S. 190) für Videomessungen vorgeschriebenen Toleranzabzüge von 5 % zur Anwendung gebracht, bezieht sich der zitierte Wert auf Geschwindigkeitsüberwachung mit speziellen Geschwindigkeitsmessgeräten (s. Ziff. 5.1. der Richtlinie), nicht auf Abstandsmessungen mittels Videonachfahreinrichtung “Proof Video Data System” (ProViDa), die hingegen Ge-genstand des Rundschreibens des Ministerium des Innern für Sport und Infrastruktur vom 01.07.2011 (344/20 21, MinBl. 2011, Bl. 176) ist, in der keine Vorgaben zum Toleranzabzug gemacht werden.

Auch die unter Ziff. 4 erhobene sachlich-rechtliche Beanstandung, die vom Gericht mitgeteilte Messstrecke habe lediglich 120,96 m anstatt mindestens 150 m betragen, dringt nicht durch. Tatbestandsmäßig handelt, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeldtatbestand normierten Abstand – und sei es auch nur um wenige Zentimeter – unterschreitet. Wenn die Rechtsprechung fordert, dass die gefährdende Abstandsunterschreitung nicht nur ganz vorübergehend, sondern über eine Strecke von 250 bis 300 m vorgelegen haben muss, hat dies seinen Grund darin, dass es insbesondere auf Autobahnen immer Situationen wie plötzliches Abbremsen des Vorausfahrenden oder Spurwechsel eines Dritten geben kann, die für Augenblicke zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könnte (OLG Koblenz,  Beschluss vom 10.07.2007 – 1 Ss 197/07; OLG Hamm NStZ-RR 2013, 48). Geringfügige, nach der Lebenserfahrung regelmäßig auftretende, mit keinem der eingesetzten Messverfahren exakt fassbare und deshalb nie ausschließbare Abstandsschwankungen sind daher unbeachtlich (OLG Koblenz, Beschluss vom 02.05.2002, 1 Ss 75/02). Das Gericht hat sich im Urteil mit diesen Umständen auseinandergesetzt und anhand der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnung, die die Fahrt des Betroffenen abbildet, keine Anhaltspunkte für ein plötzliches Abbremsen des Vorausfahrenden oder ein Einscheren erkannt (Bl. 4 d. U.).

Wegen des festgestellten engen zeitlichen Zusammenhangs erscheint die Annahme von Tateinheit (§ 19 OWiG) vertretbar; der Betroffene ist durch die Nichtannahme von Tatmehrheit (§ 20 OWiG) jedenfalls nicht beschwert.”

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.

Jedoch kann der Rechtsfolgenausspruch aus mehreren Gründen keinen Bestand haben.

Das Amtsgericht hat es zunächst versäumt, Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG sind bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters bei der Bußgeldbemessung in Betracht zu ziehen. Nach ständiger Rechtsprechung beider Bußgeldsenate des Oberlandesgerichts Koblenz(z.B. Beschlüsse 2 SsBs 128/12 v. 26.08.2013; 2 SsBs 108/10 v. 24.09.2010; 1 SsBs 109/12 v. 19.11.2012; 1 Ss 289/06 v. 03.01.2007- ZfSch 2007, 231 f. <Rn. 21 n. juris>)ist bei einer Ahndung mit Geldbuße von mehr als 250,- Euro von einer nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeit auszugehen, die die Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen zur Bußgeldbemessung grundsätzlich auch dann erfordert, wenn es sich um die Regelsanktion nach dem Bußgeldkatalog handelt. Hiervon kann ausnahmsweise etwa dann abgesehen werden, wenn der Bußgeldrichter die bereits im Bußgeldbescheid festgesetzte Regelgeldbuße nach der BKatV verhängt, sich der anwaltlich vertretene Betroffene unter Berufung darauf, keine weiteren Angaben zur Sache machen zu wollen, von der Erscheinenspflicht entbinden lässt, und auch sein vertretungsberechtigter Verteidiger nicht zur Hauptverhandlung erscheint, womit zum Ausdruck gebracht wird, dass der Frage einer fehlenden oder verminderten Leistungsfähigkeit nicht weiter nachgegangen werden muss, der Betroffene also in der Lage ist, diese Geldbuße zu zahlen (vgl. OLG Koblenz, 2 SsBs 30/14 v. 13.6.2014 – Rn. 9 n. juris; 1 SsBs 109/11 vom 15.12.2011; vgl. auch KG Berlin, 162 Ss 136/13 v. 7.1.2014 – VRS 126,103 <Rn. 10 n. juris>; OLG Bremen, 2 SsBs 82/11 v. 15.11.2012 – NZV 2014, 140). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.

Rechtsfehlerhaft ist der Rechtsfolgenausspruch auch deswegen, weil das Urteil keine Ausführungen zu der Frage enthält, ob vorliegend ausnahmsweise gemäß § 4 Abs. 4 BKatV von der Verhängung eines Fahrverbotes gegen angemessene Erhöhung des Bußgeldes abgesehen werden kann. Ein Absehen von der Anordnung eines Fahrverbotes kommt in Betracht, wenn entweder besondere Ausnahmetatbestände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen offensichtlich gegeben sind und deshalb erkennbar nicht der von § 4 BKatV erfasste Normalfall vorliegt oder wenn durch die Anordnung eines Fahrverbotes bedingte erhebliche Härten oder gar eine Härte außergewöhnlicher Art eine solche Entscheidung als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei sind dem tatrichterlichen Beurteilungsspielraum jedoch wegen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit enge Grenzen gesetzt und die gerichtlichen Feststellungen müssen die Annahme eines Ausnahmefalls nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. KG Berlin, 3 Ws [B] 356/15 v. 31.07.2015 – VRS 129/15, 328 <329>). Die für den Regelfall fahrlässigen Handels nach § 4 Abs. 4 BKatV vorgeschriebene und im Urteil zu dokumentierende Abwägung, ob ein Wegfall des Fahrverbots gegen Erhöhung der Geldbuße in Betracht kommt, ist grundsätzlich nur dann entbehrlich, wenn der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat (vgl. Senat, 2 OWi 4 SsBs 38/15 v. 11.04.2016; 2 SsBs 26/14 v. 16.05.2015; 2 SsBs 112/12 v. 14.12.2012).

III.

Wegen dieser Rechtsfehler hebt der Senat das Urteil im Rechtsfolgenausspruch auf und entscheidet hierüber gemäß § 79 Abs. 6 OWiG selbst, da weitere Feststellungen nicht getroffen werden müssen.

Die Abstandsunterschreitung in zwei tatmehrheitlichen Fällen (§§ 24 Abs. 1 S. 1 StVG, 4 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 12.6.2 u. 12.7.3 BKatV)  ist mit einer einheitlichen Geldbuße (§ 19 Abs. 1 OWiG) von 250,- Euro angemessen sanktioniert, so dass es nicht erforderlich ist, Feststellungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu treffen.

Ein Absehen vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße nach § 4 Abs. 4 BKatV kommt nicht in Betracht. Soweit der Betroffene innerhalb kürzester Zeit zwei Abstandsunterschreitungen tateinheitlich begangen hat, hat er die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in grober Weise verletzt (§ 25 Abs. 1 S. 1 StVG). Besondere Ausnahmetatbestände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen sind weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal ihm die Möglichkeit des § 25 Abs. 2a StVG eingeräumt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG iVm. § 473 Abs. 1 S. 1 StPO. Die nur geringfügige Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigt mit Blick auf das unbeschränkt eingelegte Rechtsmittel nicht die Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO.