Ein Bußgeldrichter kann seine Erwägungen bezüglich eines Bußgelds, von denen er sich bei der Urteilsfällung leiten lässt, nicht später durch andere ersetzen. Das AG führte aus: “Soweit im Urteil im Sitzungsprotokoll die Tatbestandsnummer 142606 angegeben ist, handelt es sich um ein Versehen. Die Tatbestandsnummer 142606 kann nur durch Führer eines LKW begangen werden, was hier aber selbstverständlich nicht der Fall ist. Im Ergebnis dürfte die Entscheidung des erkennenden Gerichtes aber nicht rechtsfehlerhaft sein. Die Tatbestandsnummer 141238 sieht als Sanktion eine Geldbuße von 35,00 Euro vor. Angesichts der Tatsache, dass der Betroffene eine Voreintragung aufweist (vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis, rechtskräftig geworden am 11.07.2011) ist es hier angemessen, das Bußgeld auf 80,00 Euro zu erhöhen.“ Das OLG Hamm sah zwar keinen Zulassungsgrund (§ 80 OWiG), wies aber auf Folgendes hin (Beschluss vom 26.02.2015, Az. 1 RBs 28/15).
Das Amtsgericht führt also in den Urteilsgründen selbst aus, dass es sich bei der Bußgeldbemessung von einer Regelung hat leiten lassen, welche für Lastkraftwagen gilt (Nr. 142606 des Tatbestandskataloges verweist auf Nr. 11.1.4 der Anlage 1 der BKatV). Dies ist, wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat, falsch. Das Nachschieben einer anderen Begründung ist aber ebenfalls nicht angängig. Nach § 267 Abs. 3 S. 1 StPO i.V.m. § 71 OWiG (zur Anwendbarkeit des § 267 Abs. 3 S. 1 StPO im Bußgeldverfahren vgl. Seitz in: Göhler, OWiG. 16. Aufl., § 71 Rdn. 40) sind in den schriftlichen Urteilsgründen die Umstände anzuführen, die für die Zumessung der Geldbuße bestimmend „gewesen sind“. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift sind also nicht Gründe anzugeben, die ggf. auch die Geldbuße gerechtfertigt hätten, sondern die, die nach dem Ergebnis der Beratung bei Urteilsfällung, d.h. in der Hauptverhandlung, für das erkennende Gericht bestimmend waren (vgl. auch Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rdn. 87). Dafür spricht auch, dass die Frage, ob ein Urteil „im Ergebnis“ gleichwohl „nicht rechtsfehlerhaft“ ist, eine Frage ist, die vom Rechtsbeschwerdegericht zu prüfen ist. In der Rechtsbeschwerdeinstanz ist zu entscheiden, ob z.B. das angefochtene Urteil auf einem tatsächlich vorliegenden Rechtsfehler nicht beruht.
Ferner zeigt auch ein Vergleich mit der Rechtsprechung zur Urteilsberichtigung, dass das hier gewählte Vorgehen unzulässig war. Nach dieser Rechtsprechung scheidet nämlich eine nachträgliche Berichtigung der Urteilsgründe aus, wenn sich dahinter in Wahrheit die sachliche Abänderung des inhaltlich anders beschlossenen Urteils verbirgt (BGH, Urteil vom 14. November 1990 – 3 StR 310/90 –, juris). Etwas anderes kann aber dann auch für die vorliegende Konstellation nicht gelten, denn das Urteil wurde auf der Grundlage einer anderen Vorschrift gefasst und damit gerade inhaltlich anders. Auch entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die schriftlichen Urteilsgründe die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Urteils wiedergeben sollen, wie sie nach der Hauptverhandlung in der Beratung gewonnen worden sind (BGH bei Miebach, NStZ 1988, 213; vgl. auch Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rdn. 10). Bei einem Einzelrichter – wie hier – findet zwar keine Beratung im herkömmlichen Sinne, d.h. i.S. einer gemeinsamen Besprechung, statt. Es handelt sich vielmehr um einen im Inneren eines Menschen liegenden Vorgang („mit sich zu Rate gehen“, vgl. OLG Köln NStZ 2005, 710, 711). Das ändert aber nichts daran, dass auch hier die schriftlichen Urteilsgründe das Ergebnis dieser „Beratung“ wiedergeben sollen.
Weiter ist anzumerken, dass der Umstand, dass die Geldbuße wegen der Voreintragung mehr als verdoppelt wurde, näherer Erläuterung bedurft hätte. Es handelt sich um eine ganz erhebliche Erhöhung der Regelgeldbuße. Die Voreintragung war nicht einschlägiger Natur. Bei der nunmehr begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit geht das Amtsgericht von einer fahrlässigen Begehungsweise aus. Insoweit hätte es der näheren Erläuterung bedurft, warum nur die so deutlich erhöhte Geldbuße geeignet war, den Betroffenen an seine Ordnungspflicht zu erinnern.
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