Quelle: pixabay.com

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In dem Fall, der dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken (vom 28.03.14, Az. 13 S 196/13) zugrunde lag, kam es im Einmündungsbereich eines Kreisverkehrs zu einer Kollision zwischen dem Fahrzeug des Klägers, das im Kreisverkehr fuhr, und dem einfahrenden Fahrzeug des Beklagten. Es konnte nicht aufgeklärt werden, welches Fahrzeug sich zuerst im Kreisverkehr befand und damit vorfahrtsberechtigt war.

Kommt es im Bereich einer vorfahrtsgeregelten Einmündung zu einer Kollision zwischen dem wartepflichtigen und dem vorfahrtsberechtigten Verkehr, so spricht der Beweis des ersten Anscheins regelmäßig dafür, dass der Wartepflichtige den Unfall durch eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung verursacht hat (…). Nach gefestigter Kammerrechtsprechung gilt dies im Grundsatz auch für die Vorfahrtsverletzung im Kreisverkehr (…). Freilich weist die Berufung im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass die Regeln über den Beweis des ersten Anscheins nur dann anwendbar sind, wenn ein Geschehensablauf vorliegt, bei dem sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat. (…) So ist der Anscheinsbeweis nach ständiger Rechtsprechung etwa nicht anwendbar, wenn es ernsthaft möglich ist, dass der Einbiegende den auf der Vorfahrtsstraße befindlichen Verkehrsteilnehmer vor dem Beginn des Einbiegens nicht sehen konnte. (…)

Nach Maßgabe dieser Grundsätze spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Vorfahrtsverstoß des in einen Kreisverkehr Einfahrenden, wenn er im Einmündungsbereich mit einem auf der Kreisfahrbahn fahrenden Verkehrsteilnehmer kollidiert, dessen Vorfahrtsberechtigung feststeht, weil er zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist. (…) Steht umgekehrt fest, dass der Einfahrende im Zeitpunkt des Einfahrens in den Kreisverkehr gegenüber einem später einfahrenden Unfallgegner noch nicht wartepflichtig war, liegt – unabhängig von den Voraussetzungen des Anscheinsbeweises – von vornherein kein Vorfahrtsverstoß vor, weil der Unfallgegner nicht vorfahrtsberechtigt war.

Ist allerdings offen, welcher Unfallbeteiligte zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist, so spricht der Beweis des ersten Anscheins – anders als dies in Rechtsprechung und Literatur zum Teil vertreten wird (vgl. LG Detmold, DAR 2005, 222; Hentschel/König/Dauer aaO, § 8 StVO Rdn. 37b) – für einen Vorfahrtsverstoß desjenigen, in dessen Einmündungsbereich sich der Unfall ereignet hat. Denn es besteht ein Erfahrungssatz der allgemeinen Lebenserfahrung dafür, dass er gegenüber dem Unfallgegner wartepflichtig war. Dieser Erfahrungssatz hat seinen Grund darin, dass sich der Unfall im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Einfahrt des einbiegenden Verkehrsteilnehmers ereignet, wohingegen der andere, um die Kollisionsstelle zu erreichen, zusätzlich eine gewisse Strecke zurückgelegt und den Kreisverkehr schon während einer gewissen Dauer durchfahren haben muss. Da ein Kreisverkehr wegen seiner Krümmung und der mit der Zusammenführung mehrerer Straßen verbundenen Gefahren typischerweise nur mit mäßiger Geschwindigkeit durchfahren werden kann, spricht die Lebenserfahrung dann nach den zu erwartenden Bewegungsabläufen dafür, dass der von der ersten Einmündung her einfahrende Verkehrsteilnehmer den Kreisverkehr zuerst erreicht hat. Das schließt nicht aus, dass der Anscheinsbeweis beim Vorliegen besonderer Umstände unanwendbar sein kann.

Der Kläger musste sich dennoch eine Mithaftung von 30% anrechnen lassen, da er trotz eingeschalteter Warnblinkanlage des Beklagten, der ein weiteres Fahrzeug abschleppte, nicht abbremste und den Kreisverkehr vorsichtig weiterbefuhr, sondern entgegen § 1 II StVO auf eine zügige Beschleunigung des Beklagten vertraute.

Auf Grund der umstrittenen Rechtslage beim Anscheinsbeweis, wenn unklar ist, welches Fahrzeug zuerst in den Kreisverkehr gefahren ist, hat die Kammer hinsichtlich dieser Frage die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.