Foto: GFU

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Nachdem ein deutscher Lehrer mit diplomatischer Immunität in Moskau einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hatte, wurde über den Vorfall in russischen und deutschen Medien berichtet. Schließlich wurden verschiedene Videos auf die Plattform YouTube gestellt, in denen der Name des Unfallfahrers genannt wird. Außerdem wird ein Foto des Mannes gezeigt. Er verlangt von YouTube die Löschung der Videos.

Das OLG Hamm (Beschluss vom 07.08.2013, Az. 3 U 71/13) prüft Verstöße gegen § 12 BGB, § 186 StGB, §§ 22 ff. KUG und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG) und verneint diese, weil das öffentliche Informationsinteresse bei schweren Straftaten die Rechte des Klägers überwiege:

Bei der aktuellen Berichterstattung über eine Straftat überwiegt grundsätzlich das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Wer die Rechtsordnung und damit den Rechtsfrieden bricht sowie Dritte verletzt, der ruft selbst ein öffentliches Informationsinteresse hervor und muss neben einer strafrechtlichen Sanktion daher hinnehmen, dass sich die Öffentlichkeit mit seiner Tat auseinandersetzt und sich über diese auf den üblichen Wegen umfassend informiert (BGH NJW 2010, 757). Dazu gehört auch die Information über eine Internetplattform. Insofern handelt es sich um Berichte aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Wann eine Berichterstattung noch aktuell ist, lässt sich nicht pauschal beurteilen. Daher sind stets die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.(…)

Eine verpixelte Darstellung seiner selbst oder eine abgekürzte Namensnennung würden das öffentliche Interesse, entgegen der Ansicht des Klägers, nicht ausreichend befriedigen. Vorliegend besteht nämlich gerade ein besonderes Interesse an der Person des Klägers, weil er als junger Lehrer Diplomatenstatus genoss und deshalb nicht in Russland belangt werden konnte. Dass ein Lehrer diplomatischen Schutz gewährt bekommt, stellt sich für den Laien als ungewöhnlich dar. Zudem erstreckt sich das Öffentlichkeitsinteresse zumindest bei aktueller Berichterstattung auch auf das Aussehen eines Menschen, der eine folgenreiche Straftat begangen hat. (…)

Auch fast 5 Jahre nach dem Unfall könne das Video online bleiben:

Das Portal „Z“ ist mit den Online-Archiven vergleichbar, bei der die höchstrichterliche Rechtsprechung eine dauerhafte Speicherung als zulässig erachtet, wenn die Berichterstattung ursprünglich rechtmäßig war und das Resozialisierungsinteresse des Betroffenen nicht über die Maßen eingeschränkt wird, was maßgeblich von der Breitenwirkung der Berichte abhängt. Vorliegend war die Berichterstattung im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung rechtmäßig. Die Breitenwirkung der Videos ist zudem gering. Es bestehen insbesondere wegen der erfolgten Namensänderung des Klägers keine Nachteile für seine Resozialisierung, die nicht hinnehmbar wären.

Daher hat das OLG die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Beschluss vom 23.09.2013). Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, ein Verfahren ist beim BGH anhängig (Az. VI ZR 472/13). Besonders interessant dürfte die Entscheidung für Studenten des Schwerpunktbereichs 5 (Deutsches und internationales Informations- und Medienrecht) sein.