Hier weist das OLG Karlsruhe darauf hin, dass die Unterschreitung der zehnminütigen Kontrollzeit bei einer Atemalkoholmessung nicht immer zur Unverwertbarkeit der Messung führen muss. Das AG hatte den Betroffenen noch freigesprochen, da er während der zehn Minuten geraucht und Wasser getrunken hatte. Eine Unverwertbarkeit sei nur in Fällen gegeben, in denen der Grenzwert erreicht oder geringfügig überschritten wird. Dies sei hier nicht der Fall; der Grenzwert wurde um 0,02 mg/l überschritten. Das AG müsse nun auch einen technischen Sachverständigen dazu hören, ob durch das Rauchen und Trinken die Zuverlässigkeit der Messung beeinträchtigt worden sei (Beschluss vom 15.10.2015, Az. 2 (7) SsBs 499/15 – AK 151/15).

Das gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat – jedenfalls vorläufig – Erfolg. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Die festgestellte Nichteinhaltung der zehn Minuten dauernden Kontrollzeit, die dazu dient die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch eine kurz vor der Messung erfolgte Einnahme von möglicherweise die Messung beeinflussenden Substanzen auszuschließen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.4.2004, 1 Ss 30/04, NZV 2004, 426; Schoknecht, Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse, Gutachten des Bundesgesundheitsamtes, Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, Heft 86, S. 12), führt entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht generell zu einer Unverwertbarkeit des Messergebnisses (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.7.2010, 4 Ss 369/10, BA 47, 360; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4.2.2011, 3 (4) SsBs 803/10).

Die Nichteinhaltung der zehnminütigen Kontrollzeit stellt nur in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht (OLG Bamberg, Beschluss vom 27.11.2007, 2 Ss OWi 1489/07, BA 45, 197) oder nur geringfügig – um 0,01 mg/l – überschritten wurde (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.4.2004, 1 Ss 30/04, NZV 2004, 426), einer Verwertbarkeit grundsätzlich entgegen, weil der gewonnene Messwert nur dann ohne Sicherheitsabschlag verwertbar ist, wenn die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 3.4.2001, 4 StR 507/00, BGHSt 46, 358; OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.7.2010, 4 Ss 369/10, BA 47, 360).

Angesichts dessen, dass vorliegend der Grenzwert – worauf die Revisionsführerin zutreffend hinweist – nicht geringfügig, sondern um 8% bzw. 0,02 mg/l überschritten wurde und die in der Kontrollzeit eingenommenen Substanzen festgestellt werden konnten, kommt eine Verwertbarkeit der Messung auch unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags in Betracht. Ob und ggfs. in welcher Art und Weise das festgestellte Rauchen einer Zigarette und das Trinken von Wasser während der Kontrollzeit die Messung beeinträchtigt haben könnte und in welcher Höhe ggfs. ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen ist, lässt sich mit sachverständiger Hilfe aufklären (OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.7.2010, 4 Ss 369/10, BA 47, 360; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4.2.2011, 3 (4) SsBs 803/10). Ein allgemeiner Grundsatz, dass Bedienungsfehler bei standardisierten Messverfahren – hierzu gehört auch die Verwendung eines Atemalkoholgeräts, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat (BGH, Beschluss vom 3.4.2001, 4 StR 507/00, BGHSt 46, 358) – generell zu deren Unverwertbarkeit führen (so OLG Hamm Beschluss vom 24.1.2008, 2 Ss OWi 37/08, NZV 2008, 260), existiert nicht. Vielmehr hat der Tatrichter bei konkreten Anhaltspunkten für Messfehler, die Zuverlässigkeit der Messung – ggfs. mit sachverständiger Hilfe – zu prüfen (vgl. für standardisierte Messverfahren der Geschwindigkeitsmessung, BGH, Beschluss vom 19.8.1993, 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291 und Beschluss vom 30.10.1997, 4 StR 24/97, BGHSt 43, 277).

Hierzu wird vorliegend neben einem rechtsmedizinischen Sachverständigen auch ein technischer Sachverständiger zu hören sein, um Art und Ausmaß möglicher Beeinträchtigungen des Messergebnisses durch den Konsum von Wasser und Zigaretten feststellen zu können, da ein rechtsmedizinischer Sachverständiger regelmäßig nicht in der Lage ist, die technische Zuverlässigkeit der Messung zu beurteilen (OLG Bamberg, Beschluss vom 27.11.2007, 2 Ss OWi 1489/07, BA 45, 197). Messfehler können sich neben dem Auftreten von Mund- oder Mundrestalkohol auch durch eine Beeinflussung der Messsensoren des Messgeräts ergeben, beispielsweise aufgrund einer Querempfindlichkeit des Messgeräts gegenüber Fremdgasen, etwa dem beim Rauchen entstehenden Kohlenmonoxid (vgl. Schoknecht, a.a.O., S. 12f).

Einer Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 GVG bedarf es nicht, da die Ausführungen in der Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 24.1.2008, 2 Ss OWi 37/08, NZV 2008, 260), nicht tragend sind. Die vom Amtsgericht zitierte Entscheidung des OLG Bamberg (Beschluss vom 27.11.2007, 2 Ss OWi 1489/08, BA 45, 197) betrifft ausdrücklich nur den Fall, bei welchem der Grenzwert gerade erreicht wurde (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.7.2010, 4 Ss 369/10, BA 47, 360).