In einem aktuellen Urteil vom 22.05.2015 (Az. 9 U 171/14) nimmt das OLG Hamm zu den Verkehrssicherungspflichten eines Waschplatzbetreibers Stellung. Dieser stellt seinen Kunden für 50 Cent Selbstbedienungs-Waschboxen zur Verfügung. Die Klägerin verlangt von ihm Schadensersatz, weil sie nach einer Wäsche ausgerutscht und gestürzt sei. Sie meint, da an dem betreffenden Tag am Nachmittag nur eine Temparatur von 0,3° C geherrscht habe, hätte der Betreiber den Bereich streuen müssen, damit sich kein Glatteis bildet. Außerdem hätte er darauf hinweisen müssen, dass sich dort Glatteis bilden kann. Die Klage wurde abgewiesen: Dass bei niedrigen Temparaturen Wasser gefrieren kann, sei allgemein bekannt. Im Winter müssten daher jedenfalls die Kunden eines Waschplatzes mit Glätte rechnen, die zuvor selbst dort Wasser verspritzt haben. Der Betreiber müsse der Glatteisbildung nicht jederzeit durch Streuen von Salz oder Granulat entgegenwirken, da beides gleich weggespült würde.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keine Ansprüche auf materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld aus dem streitgegenständlichen Vorfall, da eine Haftung gem. §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB oder gem. § 823 Abs. 1 BGB bereits dem Grunde nach nicht gegeben ist, denn der Beklagte hat unter Berücksichtigung der konkreten Umstände keine Verkehrssicherungspflicht – welche innerhalb des Vertragsverhältnisses zugleich eine Vertragspflicht darstellt (BGH, NJW 2013, 3366 Rz 25; BGH, NJW-RR 2013, 534 Rz 15) – verletzt.

Zwar ist anerkannt, dass jeder, der für Dritte Gefahrenquellen schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze dieser Dritten treffen muss, damit sich die möglichen Gefahren nicht realisieren können. Wer eine erhöhte Gefahrenquelle im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit schafft, muss erst recht dafür sorgen, dass das von ihm angelockte Publikum in seinen Räumlichkeiten bzw. auf seinem Gewerbegrundstück nicht zu Schaden kommt (OLG Köln, NJW-RR 1999, 673 m.w.N.; OLG Köln, NJW-RR 2003, 806; Palandt/Sprau, 74. Aufl. 2015, § 823 Rn. 199).

So trifft auch den Betreiber einer automatisierten Waschanlage grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht in Hinblick auf betriebsbedingte Gefahrenquellen, an deren Erfüllung insbesondere im Winter erhöhte Anforderungen zu stellen sind (vgl. hierzu OLG Hamm, Urteil vom 26. Januar 1998 – 6 U 186/97 –, juris; OLG Köln, NJW-RR 1999, 673; OLG Köln, NZV 2003, 428).

Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit darin, dass es sich zum einen um einen Waschplatz in Selbstbedienung handelt und zum anderen nicht Niederschläge wie Regen oder Schnee zu einer Glatteisbildung geführt haben sollen (vgl. hierzu OLG Köln, NJW-RR 2003, 806), sondern diese vielmehr durch überfrierendes Waschwasser, das von der Klägerin oder bei den Vorwäschen unmittelbar vor der Wäsche durch die Klägerin verspritzt worden war, entstanden sein soll. Auch bestand nach dem eigenen Vortrag der Klägerin keine allgemeine Glättegefahr, die eine allgemeine Streupflicht begründet hätte (vgl. hierzu BGH, NJW 2012, 2727), vielmehr hat die Klägerin lediglich die Existenz einzelner Glättestellen aufgrund überfrierender Nässe aus der Waschplatznutzung im Bereich unmittelbar vor dem Waschplatz behauptet.

In Rede steht somit allein eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Beklagten bezüglich der Verhütung derjenigen Gefahren, die sich aus der Kombination der Wetterlage mit den Eigenarten seiner Betriebsanlage ergeben, bei deren bestimmungsgemäßer Nutzung Wasser auf den Boden gelangt.

Insoweit kann offen bleiben, ob bzw. wie häufig während der Öffnungszeiten Selbstwaschplätze wie die vom Beklagten betriebenen zu kontrollieren sind, um eine nachhaltige Eisbildung durch witterungsbedingten Niederschlag und/oder durch Waschwasser zu verhindern bzw. einer solchen vorhandenen Gefahrenstelle innerhalb der hier gebotenen zeitlichen Grenzen abzuhelfen; denn die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten ging jedenfalls nicht so weit, dass er bei fortlaufender Waschplatznutzung – wie die Klägerin sie behauptet – bei bzw. trotz winterlicher Temperaturen quasi während oder jedenfalls nach jeder SB-Wäsche Maßnahmen zur Verhinderung stellenweiser Blitzeisbildung – je nach Reichweite der Spritzwassermenge und –verbreitung – zu ergreifen hatte, wobei dahinstehen mag, ob solche jedenfalls in Form von Streumaßnahmen bei fortlaufendem Waschbetrieb überhaupt erfolgversprechend gewesen wären.

Insoweit kommt vielmehr zum Tragen, dass unter Verkehrssicherungs-Aspekten nur diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Gefahrbeseitigung erforderlich und zumutbar sind, geschuldet sind. Erforderlich ist lediglich der Schutz vor solchen Gefahren, die ein Dritter selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen oder vermeiden kann. Erkennbare Besonderheiten sind von den Verkehrsteilnehmern auch ohne Sicherung und Warnung hinzunehmen, wenn es ihnen möglich ist, sich entsprechend darauf einzustellen (Wellner, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Auflage 2011, 4. Kapitel Rn. 37 m.w.N.).

Wer sich – wie die Klägerin – bei winterlichen Temperaturen entscheidet, seinen Pkw auf einem Waschplatz gegen Zahlung eines geringen Entgelts (50 Cent) selbst zu reinigen, weiß, dass vom Betreiber lediglich die Waschboxbenutzung, aber gerade kein darüber hinaus gehender Service geboten wird bzw. aus wirtschaftlichen Gründen nicht geboten werden kann. Insbesondere kann angesichts des Formats als kostengünstige SB-Wäsche nicht mit der Anwesenheit von Personal gerechnet werden. Dass bei den SB-Wäschen Wasser im Bereich der Waschboxen verspritzt wird, es also betriebsbedingt zu Nässe am Boden kommt, ist zwangsläufig. Dass verspritztes Wasser bei niedrigen Temperaturen gefrieren kann, ist auch allgemein bekannt.

Daher musste auch die Klägerin, die selbst vor ihrem Sturz auf dem bereits zuvor durch andere genutzten Waschplatz weiteres Wasser verspritzt hatte, konkret mit Glätte rechnen sowie auch damit, dass das Streuen von Salz oder auch Granulat bei durchgängiger Nutzung der Waschplätze keinen nachhaltigen Erfolg versprochen hätte, da beides weggespült worden wäre.

Angesichts dessen, dass die Gefahr überfrierenden Waschwassers im Bereich der Waschbox bei Nutzung derselben bei winterlichen Temperaturen auf der Hand liegt, ist auch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagte darin zu sehen, dass er die Kundschaft unstreitig nicht darauf hingewiesen hat, dass im Bereich des Waschplatzes auch dann Glatteis vorhanden sein kann, wenn das übrige Gelände eisfrei ist und auch die Witterung kein Glatteis erwarten lässt (vgl. hierzu bezüglich einer Waschanlage OLG Koblenz, Urteil vom 06.09.1999 – 12 U 813/98, BeckRS 1999, 17152).

Schließlich geht die Verkehrssicherungspflicht nicht so weit, dass dem Teilnehmer am Verkehr jede eigene Überlegung und Beobachtung abgenommen werden müsste (OLG Celle, NZM 2004, 839, 840; OLG Hamm, VersR 1982, 1081); warnen muss der Verkehrssicherungspflichtige lediglich vor solchen Gefahren, die für den Benutzer nicht erkennbar sind und mit denen er auch nicht zu rechnen braucht (OLG Hamm, VersR 1982, 1081).

Angesichts der Verneinung bereits einer Verkehrssicherungspflichtverletzung kann offen bleiben, ob die Klägerin an ihrer Verletzung ein Mitverschulden gem. § 254 Abs. 1 BGB trifft, weil sie, nachdem sie selbst Wasser verspritzt hatte und deshalb angesichts der herrschenden Temperaturen mit Glätte rechnen musste, mit Papier aus ihrem Kofferraum in der Hand zu den auf dem Betriebsgrundstück gelegenen Mülltonnen losgeschritten war, ohne auf den Zustand des Bodens bzw. auf stellenweise Glatteisbildung zu achten.